RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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2699-0490
Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz
ZRI
2020
Report
Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises zum Gesetzentwurf des Bundesrates eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung – Änderung des § 64 Abs. 2 InsO – (BT-Drucks. 19/18736), Stand: 18. Mai 2020
Der Gravenbrucher Kreis hat sich bereits mehrfach kritisch zu den vom Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2017 (IX ZB 65/16) aufgestellten Anforderungen an eine öffentliche Bekanntmachung von Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen geäußert.1
Der Gesetzentwurf des Bundesrates eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung (BT-Drucks. 19/18736 v. 22. 4. 2020*) versucht nun durch Neuregelung des § 64 Abs. 2 InsO, die Anforderungen an eine öffentliche Bekanntmachung von Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen gemäß dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Dezember 2017 (IX ZB 65/16) per Gesetz umzusetzen und demzufolge diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gesetzgeberisch zu manifestieren (siehe nur S. 3 f. der BT-Drucks. 19/18736).
Vor diesem Hintergrund will der Gravenbrucher Kreis seine Bedenken gegen die vom Bundesgerichtshof im vorgenannten Beschluss festgelegten Anforderungen an eine öffentliche Bekanntmachung von Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen, die nunmehr in Gesetzesform implementiert werden sollen, bekräftigen und zum Gesetzentwurf des Bundesrates Stellung nehmen.
ZRI 2020, 331
Voranstellen will der Gravenbrucher Kreis zunächst, dass er das mit dem Gesetzentwurf des Bundesrates verfolgte Anliegen, fehlerhaften Veröffentlichungen von Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen entgegenzuwirken und somit Rechtssicherheit für die Beteiligten zu bewirken, ausdrücklich begrüßt. Dass insoweit auch Haftungsrisiken für Insolvenzverwalter und für die jeweiligen Länder beseitigt werden, wird auch befürwortet.
Gleichzeitig soll auf die Aussagen in der Stellungnahme der Bundesregierung (Anlage 2 der BT-Drucks. 19/18736) zum Gesetzentwurf des Bundesrates rekurriert werden, wenn es dort heißt, dass zwar ein berechtigtes Interesse derjenigen Beteiligten besteht, denen die sofortige Beschwerde gegen die Vergütungsfestsetzung zusteht, rechtzeitig von den vollständigen Beschlussgründen Kenntnis erlangen zu können. Jedoch verdeutlicht die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme darüber hinaus, dass bei einer Neuregelung des § 64 Abs. 2 InsO ferner die Anliegen der Schuldner sowie auch der Insolvenzverwalter zu berücksichtigen sind, bestimmte Informationen nicht öffentlich bekannt zu machen. Dem schließt sich der Gravenbrucher Kreis ausdrücklich an. Aus Sicht des Gravenbrucher Kreises kann der Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates entnommen werden, dass die Bundesregierung selbst daran zweifelt, ob die im Gesetzentwurf vorgebrachte Neuregelung des § 64 Abs. 2 InsO der richtige Ansatz ist, um auch den Interessen der Schuldner sowie auch der Insolvenzverwalter im Rahmen der öffentlichen Bekanntmachung eines Vergütungsfestsetzungsbeschlusses genügend Rechnung zu tragen (siehe Anlage 2 der BT-Drucks. 19/18736); im Einzelnen:
Dem Gesetzentwurf des Bundesrates kann entnommen werden, dass grundsätzlich eine öffentliche Bekanntmachung des vollständigen Vergütungsbeschlusses, die insbesondere den Beschlusstenor – mit Ausnahme der festgesetzten Beträge, d. h. die festgesetzte Vergütung und die festgesetzten Auslagen – sowie die Beschlussgründe umfassen muss, zu erfolgen hat (siehe allein S. 4 der BT-Drucks. 19/18736).
Hierin sieht der Gravenbrucher Kreis eine unverhältnismäßige Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Insolvenzverwalter gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, auf die der Gravenbrucher Kreis in dieser Stellungnahme jedoch nicht seinen Fokus legen will.
Vielmehr soll hier darauf aufmerksam gemacht werden, dass die zwingende Veröffentlichung des für den Vergütungsfestsetzungsbeschluss maßgeblichen Teils der Beschlussgründe und der damit zu erfolgenden Veröffentlichung der vom Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2017 (IX ZB 65/16) formulierten Mindestvoraussetzungen im Hinblick auf die Anforderungen an eine Veröffentlichung von Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen (siehe S. 7 f. der BT-Drucks. 19/18736) erhebliche – und aus Sicht des Gravenbrucher Kreises auch völlig unnötige – Nachteile für den Schuldner selbst mit sich bringt.
Die veröffentlichten Informationen sind im Internet für jeden und ohne jede Beschränkung zugänglich (siehe nur www.insolvenzbekanntmachungen.de). Sie werden darüber hinaus von gewerblichen Suchmaschinen erfasst und stehen daher für interessierte Dritte ohne jede zeitliche Beschränkung zur Verfügung.
Die Entscheidungsgründe in Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen enthalten jedoch regelmäßig genaue sowie umfassende Angaben über das Insolvenzverfahren, insbesondere über die Schwierigkeiten im Rahmen der Bearbeitung des Insolvenzverfahrens, denn diese muss das Insolvenzgericht im Einzelnen würdigen, wenn es die Vergütung des Insolvenzverwalters ermittelt.
Aus diesem Grund erhalten Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse oftmals Ausführungen über persönliche Details des Schuldners,2 Probleme seines Geschäftsmodells oder mit anderen Beteiligten, Angaben zu Verwertungsprozessen, Schwierigkeiten im Umgang mit dem Schuldner3 oder den Geschäftsleitern4 und auch Angaben zu Gesundheitsproblemen, psychischen Störungen, Gefängnisaufenthalten sowie Straftaten des Schuldners oder seiner Geschäftsleiter.
Bleibt es daher bei der im Gesetzentwurf des Bundesrates vorgeschlagenen Neuregelung des § 64 Abs. 2 InsO und damit bei der gesetzgeberischen Umsetzung der vom Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2017 (IX ZB 65/16) formulierten Mindestvoraussetzungen hinsichtlich der Anforderungen an eine Veröffentlichung von Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen (siehe S. 7 f. der BT-Drucks. 19/18736), werden diese Informationen sämtlich einer breiten Öffentlichkeit zur dauerhaften Recherche zur Verfügung stehen und zwar weit über den Abschluss des Insolvenzverfahrens hinaus.
Dies wird die wirtschaftliche Betätigung sowie den wirtschaftlichen Neustart des Schuldners nach Abschluss des Insolvenzverfahrens und damit in Zukunft behindern.
Soweit im Gesetzentwurf des Bundesrates ausgeführt wird, dass schutzwürdige Belange des Schuldners vor allem dann berührt sein dürften, wenn besondere Kategorien personenbezogener Daten (sogenannte sensible Daten) im Sinne des Art. 9 DSGVO und § 46 Nr. 14 BDSG genannt werden müssten (siehe S. 8 der BT-Drucks. 19/18736), ist dies nur unzureichend und greift zu kurz.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Veröffentlichung auch für insolvente Gesellschaften beträchtlich nachteilige Folgen hat, denn bei im Rahmen von Insolvenzplänen fortgeführten Unternehmen entspricht die Teilungsmasse zumeist auch dem Unternehmenswert. Die vollständige Offenlegung im Internet kann ZRI 2020, 332folglich für Konkurrenten einen nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsvorteil bilden und demzufolge dazu führen, dass die Gesellschaft auch im Nachgang zur Sanierung negativ beeinflusst wird.
Des Weiteren ist hervorzuheben, dass die Veröffentlichung auch private Daten betrifft, bei denen es aus Sicht des Gravenbrucher Kreises überhaupt keinen Grund gibt, sie solchen Dritten zugänglich zu machen, die nicht unmittelbar am Insolvenzverfahren beteiligt sind.
Dabei ist nichts dagegen einzuwenden – und wird auch bislang schon so gehandhabt –, dass den am Insolvenzverfahren unmittelbar Beteiligten alle für sie notwendigen Informationen zur Verfügung stehen, denn diese sind Teil der Gerichtsakte, in die die Beteiligten stets Einsicht nehmen können (vgl. § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 1 ZPO). Die sich aus dem Gesetzentwurf des Bundesrates ergebende öffentliche Bekanntmachung geht jedoch weit über das hinaus, was erforderlich ist. Denn von der Vergütungsentscheidung betroffen sind lediglich diejenigen, die ein Interesse am Ausgang des Insolvenzverfahrens haben, und damit vor allem die Gläubiger des Schuldners. Dies wird auch durch § 64 Abs. 3 InsO deutlich. Hiernach stehen Rechtsmittel gegen den Beschluss ausschließlich dem Verwalter, dem Schuldner und den Insolvenzgläubigern zu. Diese Beschränkung des Zugangs zu Informationen auf einen bestimmten Personenkreis entspricht auch dem sonst im Insolvenzrecht generell innewohnenden Grundsatz, dass Informationen, die Insolvenzverfahren betreffen, Dritten gegenüber nur eingeschränkt offen stehen. Es gilt im Insolvenzverfahren – genauso wie im Zivilprozess, in dessen Akten an dem Rechtsstreit nicht beteiligte Dritte auch nur unter sehr engen Grenzen Einsicht nehmen können – die sogenannte „Parteiöffentlichkeit“. Dem Insolvenzverfahren ist daher die Vertraulichkeit gegenüber Dritten inhärent. Nur dort, wo Dritte betroffen sind oder eine sofortige Information der Öffentlichkeit notwendig ist, beispielsweise um diese oder den Schuldner zu schützen, ist eine öffentliche Bekanntmachung von bestimmten Informationen im Insolvenzverfahren vorgesehen. Wenn Dritte Akteneinsicht verlangen, d. h. um vollständigen Einblick in die Gerichtsakte ersuchen, um sich Details, wie sie nun der Gesetzentwurf des Bundesrates einer breiten Öffentlichkeit ohne jede Zugangsbeschränkung zugänglich machen will, ansehen zu können, müssen sie gegenüber dem Insolvenzgericht ein rechtliches Interesse glaubhaft machen, wobei die diesbezüglichen Anforderungen nicht gering sind (vgl. § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 2 ZPO). Diese Erwägungen müssen auch für die Einsichtnahme in den vollständigen Vergütungsfestsetzungsbeschluss gelten, der üblicherweise das gesamte Verfahren reflektiert und daher – wie bereits aufgezeigt – wesentliche den Schuldner betreffende Informationen beinhaltet.
Aus Sicht des Gravenbrucher Kreises ist jedenfalls nicht nachvollziehbar, dass zum einen das Einsichtsgesuch eines nichtbeteiligten Dritten in die gerichtlichen Akten des Insolvenzverfahrens unter Verweis auf § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 2 ZPO abzulehnen ist, weil das Insolvenzgericht ohne Einwilligung der Parteien nur bei einem glaubhaft gemachten rechtlichen Interesse Einsicht gewähren darf, und zum anderen aber wenig später alle relevanten Informationen mitsamt den Details doch noch im Internet veröffentlicht werden. Dies steht im Widerspruch zum bereits erwähnten Grundsatz der Vertraulichkeit des Insolvenzverfahrens und ist auch nicht für den Schutz der Rechte der Beteiligten notwendig.
Dass aufgrund der Vertraulichkeit in Insolvenzverfahren anerkannt und erforderlich ist, dass eine Veröffentlichung nur einen Hinweis enthält und sofern nähere Informationen gewünscht werden, Einsicht in die Gerichtsakte zu begehren ist, lässt sich beispielsweise auch § 188 InsO entnehmen. Hiernach erfolgt die Veröffentlichung des Verteilungsverzeichnisses nicht detailliert. So werden vom Insolvenzgericht allein die Summe der Forderungen und der zur Verfügung stehende Betrag gemäß § 188 Satz 3 2. Halbsatz InsO öffentlich bekannt gemacht.
Auch lässt sich die hier vorgebrachte kritische Sichtweise zum Gesetzentwurf des Bundesrates nicht mit einem Verweis dahingehend entkräften, dass Unternehmen im Internet (siehe beispielsweise www.bundesanzeiger.de) gleichfalls zur Veröffentlichung ihrer Bilanzen verpflichtet sind und daher aufgrund der vorgeschlagenen Neuregelung des § 64 Abs. 2 InsO nicht besonders schlechter stehen. Denn zum einen trifft dies nur auf Unternehmen ab einer bestimmten Größe zu und zum anderen übersteigen die nunmehr im Raum stehenden zu veröffentlichenden Informationen, insbesondere die persönlichen Daten des Schuldners, eine bloße Veröffentlichung von schlichten Bilanzposten einer kaufmännischen Buchhaltung bei weitem.
Ein sachgerechter Grund dafür, dass die Information, die aus einem Vergütungsfestsetzungsbeschluss entnommen werden können und deren Verbreitung einen nicht unerheblichen Eingriff in die Rechte des Schuldners darstellt, einer breiten Öffentlichkeit zu kommunizieren sind, findet sich nicht.
Im Gegenteil gibt es aufgrund der im Gesetzentwurf des Bundesrates vorgeschlagenen Neuregelung des § 64 Abs. 2 InsO dann in keinem anderen staatlich organisierten Verfahren ein derart hohes Maß an Potential, Persönlichkeitsrechte zu verletzen, wie im Insolvenzverfahren.
Nach alldem konstatiert der Gravenbrucher Kreis, dass die im Gesetzentwurf des Bundesrates mit Blick auf die vom Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2017 (IX ZB 65/16) geforderte Publizität der Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse die gewöhnlich von (kaufmännisch organisierten) Schuldnern verlangte Publizität weit überschreitet, ohne dass hierfür sachgerechte Gründe vorliegen.
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- 1)Schreiben vom 19. Februar 2018 an die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie Stellungnahme vom 4. September 2018 zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 19. Juli 2018 einer Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekV); Letzteres abrufbar unter: https://www.gravenbrucher-kreis.de/app/download/13938825235/180904_GK_SN_ RefE_InsoBekV_Sept2018.pdf?t=1536071948 (Abrufdatum: 18. Mai 2020).
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- *)Ergänzung der Redaktion: Der Entwurf zu „Artikel 1 – Änderung der Insolvenzordnung“ lautet wie folgt:§ 64 Absatz 2 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt gefasst: „(2) Der Beschluss ist vorbehaltlich der Sätze 2 und 3 vollständig öffentlich bekannt zu machen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen. Stehen ausnahmsweise schützenswerte Interessen Beteiligter einer vollständigen Veröffentlichung der Beschlussgründe entgegen, so sind die entsprechenden Teile der Beschlussgründe von der Veröffentlichung auszunehmen; dies ist kenntlich zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, dass der vollständige Beschluss in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann.“
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- 2)Beispielsweise Sucht, Eheprobleme, Ermittlungsverfahren, Obdachlosigkeit etc.
- 3
- 3)Beispielsweise Führungsschwäche, chaotische Buchhaltung etc.
- 4
- 4)Beispielsweise auch Fehler der Geschäftsführung etc.