RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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2699-0490
Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz
ZRI
2023
Report
Stellungnahme des VID zum Entwurf einer VO über die Einreichung und Führung der Tabellen über die angemeldeten Forderungen gem. § 175 InsO in maschineller Form (Niedersachsen)
Die Einreichung der von den Insolvenzverwaltern geführten Tabellen bei Gericht ist mit der Einführung der elektronischen Akte nicht einfacher geworden. Das Land Niedersachsen versucht, den damit verbundenen Medienbrüchen durch eine Verordnung entgegenzutreten.
A. Einleitung
Der Verordnungsentwurf zielt auf eine möglichst medienbruchfreie Gestaltung der Führung der Tabellen über die angemeldeten Forderungen.1
Im Hinblick auf das vorrangige Ziel einer medienbruchfreien Gestaltung sollte der Blick auch auf die aktuellen politischen Entwicklungen gerichtet werden, bei deren Umsetzung einzelne Regelungen des Entwurfes ggf. obsolet würden.
So hat das BMJ kürzlich die Eckpunkte der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz2 veröffentlicht. Diese sehen vor, den Rechtsverkehr für Wirtschaft und Bürger zu vereinfachen und weitmöglichst zu digitalisieren.
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Unter anderem sollen zivilrechtliche Schriftformerfordernisse und Unterschriftserfordernisse, die nicht durch europäische oder internationale Regelungen zwingend vorgegeben sind – soweit sachgerecht und angemessen – aufgehoben oder durch Textformerfordernisse ersetzt werden. Zur Förderung des digitalen Rechtsverkehrs soll im Allgemeinen Teil des BGB die elektronische Form oder – soweit geeignet – die Textform als Regelform ausgestaltet werden und an die Stelle der Schriftform treten. Die Schriftform soll umgekehrt nur noch als Ersatzform für die elektronische Form beibehalten werden. „Soweit zivilrechtliche Schriftformerfordernisse fortgelten oder die Schriftform als Ersatzform gewählt wird, sollen digitale Technologien als Unterstützung und Brücken-Technologie eingesetzt werden können, soweit dies sachgerecht und angemessen ist.“3
Soweit davon ausgegangen werden muss, dass die Eckpunkte im Verordnungsentwurf noch keine Berücksichtigung4 finden konnten, wird nachfolgend näher auf die Regelungsinhalte des Entwurfs (VO-E) eingegangen.
B. Im Einzelnen
Das Ziel einer möglichst medienbruchfreien Gestaltung der Führung der Tabellen über die angemeldeten Forderungen und damit der weiteren Digitalisierung der Justiz ist zu begrüßen. Jedoch enthält der Entwurf eine Reihe von Regelungen, die aus Sicht der Insolvenzpraktiker Fragen aufwerfen und der dringenden Nachbesserung bedürfen.
I. Vorbemerkung
Ausweislich der Entwurfsbegründung kommt eine „bundesweit einheitliche und gleichzeitige Einführung (…) wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern nicht in Betracht“.5
Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass künftig unterschiedliche, ggf. auch widersprüchliche Verordnungen in den einzelnen Bundesländern zu berücksichtigen sind. Der Verordnungsentwurf weist bereits deutliche Unterschiede zur bestehenden Regelung in Nordrhein-Westfalen6 (eTab InsO) auf.
Unterschiedliche (technische) Anforderungen, die in die Softwarelösungen der Kanzleien implementiert und dauerhaft gepflegt werden müssen, bedeuten stets einen erheblichen zusätzlichen Kosten- (und Personal-)aufwand. Zudem erhöhen unterschiedliche Standards für die inhaltlich gleiche Tätigkeit die Fehleranfälligkeit.
II. Inhalte
1. Regelungsgegenstand und Begriff der maschinellen Tabelle
§ 1 VO-E
(1) Diese Verordnung regelt die Führung sowie die elektronische Einreichung der Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 Insolvenzordnung in maschineller Form, im Folgenden maschinell geführte Tabelle genannt.
(2) Bei der maschinell geführten Tabelle ist der in den dafür bestimmten Datenspeicher aufgenommene und ab Forderungsprüfung gemäß § 178 Abs. 2 Insolvenzordnung auf Dauer unverändert in lesbarer Form wiedergabefähige Inhalt des Tabellenblattes (§§ 175 Abs. 1, 174 Abs. 2 und 3, 178 Abs. 2 Insolvenzordnung) die Tabelle im Sinne von § 175 Insolvenzordnung.
§ 1 Abs. 2 definiert den Begriff der maschinell geführten Tabelle.
Unklar ist jedoch die Bestimmung des auf Dauer unverändert in lesbarer Form wiedergabefähigen Inhalts des Tabellenblattes. Wir gehen davon aus, dass damit zunächst eine revisionssichere Speicherung7 gemeint ist.
Fraglich ist auch die Begrifflichkeit der „lesbaren Form“ im Hinblick darauf, für wen der Inhalt lesbar sein muss. Dies könnte dahingehend interpretiert werden, dass zwingend eine optische Zeichenerkennung für (Scan-)Dokumente durchgeführt werden muss.
Die Entwurfsbegründung hilft an dieser Stelle nicht weiter und führt – ohne weitere Begründung – lediglich aus, dass eine Speicherung als PDF nicht die Tabelle in maschineller Form sei.8
Hier bedarf es dringend einer Klarstellung: Das PDF-Format ist eine Container-Struktur, die jegliche Form von Daten enthalten kann. PDF-Dateien werden international verwendet, um sowohl binäre als auch textuelle Daten gemeinsam in einer strukturierten Form in einer Datei (PDF) zusammenzufassen.
2. Führung der Tabellen in maschineller Form
§ 2 VO-E
(1) In allen Verfahren, die ab dem Inkrafttreten dieser Verordnung eröffnet werden, werden die Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 Insolvenzordnung ab dem Zeitpunkt der jeweiligen Einführung der elektronischen Akte bei den Insolvenzgerichten in maschineller Form gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 Insolvenzordnung gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung geführt.
(2) Bei der Führung der Tabelle in maschineller Form muss gewährleistet sein, dass
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1. die Grundsätze der ordnungsgemäßen Datenverarbeitung eingehalten, insbesondere Vorkehrungen gegen Datenverlust getroffen sowie die erforderlichen Kopien der Datenbestände mindestens tagesaktuell gehalten und die originären Datenbestände sowie deren Kopien sicher aufbewahrt werden,
2. zur Niederlegung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 Insolvenzordnung die bis zu diesem Zeitpunkt von dem Insolvenzverwalter geführte Tabelle in einen Datenspeicher aufgenommen wird und ab Forderungsprüfung gemäß § 178 Abs. 2 Insolvenzordnung für die Dauer der Aufbewahrung inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden kann und
3. die gemäß den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 erforderlichen Anforderungen erfüllt sind, soweit es um personenbezogene Daten geht.
Ausweislich der Entwurfsbegründung regelt § 2 die Führung der Tabellen über angemeldete Forderungen gemäß § 175 InsO in maschineller Form durch die Insolvenzgerichte.9 Wir gehen daher davon aus, dass die genannten Anforderungen (ausschließlich) die Insolvenzgerichte betreffen, nicht aber die Insolvenzverwalter:
a) § 2 Abs. 1 VO-E
An dieser Stelle fehlt eine Klarstellung, in welcher Form die Tabellen geführt werden, die bei Inkrafttreten der Verordnung bereits bei Gericht angelegt sind.
So könnte in Absatz 1 aufgenommen werden, dass Insolvenztabellen, die zum vorgenannten Zeitpunkt bereits bei Gericht angelegt sind, in der bisherigen Form weitergeführt werden.10
b) § 2 Abs. 2 VO-E
aa) § 2 Abs. 2 Nr. 1 VO-E
(1) Die Formulierung in Abs. 2 Nr. 1, wonach zu gewährleisten ist, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Datenverarbeitung eingehalten werden, wirft die Frage auf, ob damit die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten des Art. 5 Abs. 1 DSGVO bzw. die Allgemeinen Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten nach § 47 BDSG gemeint sind. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in Abs. 2 Nr. 3 explizit auf Regelungen der DSGVO Bezug genommen wird.
(2) Der Entwurf spricht in Abs. 2 Nr. 1 originäre Datenbestände an, die sicher aufzubewahren sind. Unklar bleibt, ob damit die ursprünglich in Papierform vorliegenden Datenbestände gemeint sind. Sofern dies der Fall sein sollte, erschließt sich nicht, weshalb hiervon wiederum Kopien vorgehalten werden sollen.
Eine Klarstellung zu Ziff. (1) und (2) wäre hilfreich.
bb) § 2 Abs. 2 Nr. 2 VO-E
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 spricht, wie auch § 1 Abs. 2 VO-E, von einer Aufnahme in einen Datenspeicher. Hier fehlt es an einer Konkretisierung. So stellt sich insbesondere die Frage, ab wann von einer (vollständigen) Aufnahme in den Datenspeicher auszugehen ist.
Welche Form der Aufbewahrung der Entwurf voraussetzt (Tresor, Datentresor, anderer Ort, Cloud etc.) bleibt ebenfalls offen.
cc) § 2 Abs. 2 Nr. 3 VO-E
Da praktisch in allen Insolvenzverfahren personenbezogene Daten verarbeitet werden, wäre eine generische Regelung zu Cloud-Verwendungen sinnvoll.
dd) § 2 Abs. 2 Nr. 4 VO-E (neu)
§ 2 Abs. 2 sollte unter Nr. 4 (neu) um folgenden Zusatz ergänzt werden: „jederzeit ein Ausdruck der gesamten Tabelle oder einzelner Tabellenblätter in Papierform möglich ist.“
Die Regelung gewährleistet, dass auch Gläubigern, denen elektronische Kommunikationswege nicht zur Verfügung stehen, entsprechende Tabellenauszüge erteilt werden können. Zudem kann dadurch im Notfall die Durchführung eines Prüfungstermins bei technischen Störungen sichergestellt werden.
Die vorgeschlagene Regelung könnte auch im nachfolgenden § 3 VO-E aufgenommen werden.
3. Gestaltung der maschinell geführten Tabelle
§ 3 VO-E
Der Inhalt der maschinell geführten Tabelle muss auf dem Bildschirm und in Ausdrucken sowie als elektronisches Dokument im Format PDF/A sichtbar gemacht werden können.
Die Entwurfsbegründung spricht davon, dass aus Standardisierungsgründen, „aber auch, weil das genutzte e-Akte-System Dokumente im PDF-Format ablegt, (…) der Standard PDF/A gewählt [wurde]“.11
Der Hinweis auf einen PDF/A-Standard sollte vor dem Hintergrund, dass es aktuell PDF/A-1 bis A-4 in jeweils auch unterschiedlichen Varianten gibt, weiter konkretisiert werden.
4. Technische Anforderungen an elektronische Dokumente und die Einreichung in Papierform vorliegender Anmeldeunterlagen
§ 4 VO-E
(1) Die Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 Insolvenzordnung sind im Dateiformat „ITR“ gemäß der jeweils aktuell gültigen Schnittstellenbeschreibung für die Datenübernahme von Insolvenzverwaltern in gerichtliche Systeme zu übermitteln. Das Justizministerium oder eine von ihm beauftragte ZRI 2023, 978Stelle gibt auf der Internetseite www.justizportal.niedersachsen.de die technischen Standards bekannt.
(2) Gehen Forderungsanmeldungen in Papierform ein, sind diese durch den Insolvenzverwalter in die elektronische Form zu überführen. Sie sollen grundsätzlich in schwarz-weiß, mit 200 bis maximal 300 dpi und der Komprimierung CCITT/TSS Group 4 Fax gescannt werden. Die Originalunterlagen in Papier sind danach an das Insolvenzgericht zu übersenden.
(3) Die Forderungsanmeldungen sind pro Rang in einem elektronischen Dokument im Dateiformat PDF mit Lesezeichen, sortiert nach Rang/lfd. Nr./ggf. Unterziffer, beginnend mit der Forderungsanmeldung für jede laufende Nummer gemäß § 5 dieser Verordnung zu übermitteln. Die elektronischen Dokumente, die von den Gläubigern an den Verwalter übersandt wurden, sind nicht einzeln zu übermitteln. Das Lesezeichen soll die Angaben Rang/lfd. Nr./ggf. Unterziffer enthalten und auf jeder Seite oben rechts textuell sichtbar sein. Unterziffern sind sortiert nach der Forderungs-ID zu vergeben. Der Name des elektronischen Dokuments muss den Rang und den Nummernkreis enthalten.
(4) Entsprechen die elektronischen Dokumente den zwingenden Anforderungen dieser Verordnung nicht oder sind sie zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet, so liegt kein wirksamer Eingang vor.
Die Regelung legt die Art und Weise, insbesondere die technischen Details der Einreichungen der Tabelle durch den Insolvenzverwalter fest.12
a) § 4 Abs. 1 VO-E (Tabellen über die angemeldeten Forderungen)
aa) § 4 Abs. 1 Satz 1 VO-E (Dateiformat)
Die Regelung sieht vor, dass die Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 InsO ausschließlich im Dateiformat ITR von Insolvenzverwaltern in die gerichtlichen Systeme zu übermitteln sind.
Auch wenn eine Verengung der Dateiformate auf „ITR“ die Entwicklungen der Praxis aufnimmt, sollte die Verordnung offener auch für andere Formate sein. In Anlehnung an § 2 Abs. 1 eTab InsO-NRW sollte die Regelung lauten:
„Die Insolvenztabellen sind als strukturierter maschinenlesbarer Datensatz in den Dateiformaten „XML“, „Tab“ oder „ITR“ zu übermitteln und müssen den nach S. 2 bekanntgemachten Definitions- oder Schemadateien entsprechen.“
bb) § 4 Abs. 1 Satz 2 VO-E (Schnittstellen)
§ 4 Abs. 1 Satz 2 VO-E verweist auf technische Standards der Übermittlung.
Die Entwurfsbegründung führt dazu aus: „Die Regelung bestimmt das Dateiformat und nimmt Bezug auf die jeweils aktuell gültigen Schnittstellenbeschreibungen, die auf dem Bundes- und Landesjustizportal bekannt gemacht werden. (…) Die Schnittstelle ist bereits in der Vergangenheit für die Übermittlung der Tabelle genutzt worden.“13
Aus dem Bereich der IT-Dienstleister für Insolvenzverwalterkanzleien erreichte uns dazu folgender Hinweis:
Die bekannten Schnittstellen – sowohl „ITR“ als auch „TAB“ – sind unidirektional. Sie enthalten weder Mechanismen zur Korrektur noch zur Nachmeldung.
An dieser Stelle zeigt sich die Diskrepanz zwischen der gesetzlichen Regelung und der tatsächlichen Praxis. Gemäß § 176 InsO werden die angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach im Prüfungstermin geprüft. In der Praxis prüft im Vorfeld jedoch bereits der Insolvenzverwalter; im Prüfungstermin wird diese Prüfung vielfach nur „bestätigt“ bzw. werden strittige Vorgänge geklärt. Da im Rahmen der Datenübermittlung via „ITR“ oder „TAB“ jedoch Prüfungsdaten vom Insolvenzverwalter übermittelt werden, wird dadurch ein Bearbeitungsschema abgebildet, das es akademisch nicht geben kann (die Prüfung erfolgt im Prüfungstermin), das in der Praxis jedoch der Norm entspricht (die Prüfung erfolgt beim Verwalter).
Ergänzende Anmerkung:
Solange es keinen fixierten und revisionssicheren Datenfluss gab, war diese Diskrepanz zwischen Gesetz und Praxis unproblematisch. Durch die neue Spezifikation entsteht hier jedoch ein Problem. Es existiert keinerlei Standard oder Mechanismus für eine Rückmeldung der Gerichte (abweichende Prüfung im Prüfungstermin) zum Insolvenzverwalter (z. B. auch wegen abweichender Interpretation/Lesung eingescannter Unterlagen) und es existiert kein Mechanismus für die Änderung revisionssicher gespeicherter Vorgänge (Storno?).
b) § 4 Abs. 2 VO-E (Umgang mit Forderungsanmeldungen in Papierform)
Die Regelung zum Umgang mit Forderungsanmeldungen in Papierform zeigt besonders deutlich, an welcher Stelle die aktuellen politischen Entwicklungen14 den vorliegenden Verordnungsentwurf überholen. So sieht das o. g. Eckpunktepapier der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz bspw. vor, dass es künftig u. a. möglich sein soll, die schriftliche Kündigung eines Mietverhältnisses mit einem Smartphone zu fotografieren und diese elektronische Kopie dem Erklärungsempfänger zu übersenden.15 Wenn Forderungsanmeldungen in elektronischer Textform (Handyfoto?) eingereicht werden können, dann müssen sie künftig auch in dieser Form an die Gerichte weitergereicht werden können.
Im Einzelnen:
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aa) § 4 Abs. 2 Satz 1 VO-E (Überführung durch den Insolvenzverwalter)
§ 4 Abs. 2 Satz 1 VO-E sieht vor, dass in Papierform eingegangene Forderungsanmeldungen durch den Insolvenzverwalter in die elektronische Form zu überführen sind.
Damit wird eine (neue) Aufgabe für Insolvenzverwalter geregelt. Fraglich ist zunächst, ob dies von der Ermächtigungsgrundlage des § 5 Abs. 4 Satz 2 bis 4 InsO gedeckt ist. Die rechtliche Grundlage für die Landesregierungen bzw. die Landesjustizverwaltungen schafft § 5 Abs. 4 Satz 2 bis 4 InsO, der (lediglich) vorsieht, dass durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über
- die Führung der Tabellen und Verzeichnisse,
- ihre elektronische Einreichung sowie
- die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und
- deren Aufbewahrung
getroffen werden können, wobei auch
- Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung
gemacht werden können.
Unterstellt, § 5 Abs. 4 Satz 2 bis 4 InsO enthält auch für die vorgesehene Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 VO-E eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage,16 ergeben sich zur Regelung selbst jedoch eine Vielzahl von Fragen.
Die Entwurfsbegründung führt zu § 4 Abs. 2 Satz 1 VO-E aus:
„Um bei Gericht medienbruchfrei die Ergebnisse der Forderungsanmeldungen verarbeiten zu können, wird von der Möglichkeit, auch die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente der Forderungsanmeldung zu treffen, Gebrauch gemacht. Die ohnehin elektronisch eingereichten Unterlagen werden daher elektronisch weitergereicht; die schriftlich eingereichten Unterlagen sind durch den Insolvenzverwalter einzuscannen.“17
Auch wenn nachvollziehbar ist, dass die Justiz eine Überführungsverpflichtung18 für die Insolvenzverwalter für notwendig hält, bleibt der daraus resultierende Personal- und Kostenaufwand für die Verwalterkanzleien bislang gänzlich unberücksichtigt.
Neben dem für Scanarbeiten einzusetzendem Personal ist die Vorhaltung und Wartung von Geräten notwendig, die neben einer ausreichend großen Dokumentenzufuhr auch über eine schnelle Scangeschwindigkeit und die Möglichkeit des Scannens auch anderer Objekte, wie bspw. Fotos, verfügen. Ebenso ist die Vorhaltung entsprechender Speicherkapazitäten erforderlich.
Dieser Personal- und Kostenaufwand findet in anderen Regelwerken bereits Berücksichtigung:
So regelt § 7 Abs. 3 JVEG, dass für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien anstelle der in Absatz 2 genannten Kopien und Ausdrucke 1,50 Euro je Datei ersetzt werden. Für die in einem Arbeitsgang überlassenen oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente werden höchstens 5 Euro ersetzt.
Ähnliches gilt für die Auslagen der Notare (vgl. 32002 der Anlage 1 zu § 3 Absatz 2 Gerichts- und Notarkostengesetz): „Dokumentenpauschale für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien oder deren Bereitstellung zum Abruf anstelle der in den Nummern 32000 und 32001 genannten Dokumente ohne Rücksicht auf die Größe der Vorlage: je Datei 1,50 €; für die in einem Arbeitsgang überlassenen, bereitgestellten oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente insgesamt höchstens 5,00 €. Werden zum Zweck der Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien Dokumente zuvor auf Antrag von der Papierform in die elektronische Form übertragen, beträgt die Dokumentenpauschale nicht weniger, als die Dokumentenpauschale im Fall der Nummer 32000 für eine Schwarz-Weiß-Kopie betragen würde.“
Für den Fall einer Überführungsverpflichtung des Insolvenzverwalters ist zugleich eine angemessene Regelung zum Kostenersatz zu treffen.
bb) § 4 Abs. 2 Satz 2 VO-E (Vorgaben an das Scanformat)
Die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VO-E sieht vor, dass Forderungsanmeldungen grundsätzlich in schwarz-weiß, mit 200 bis maximal 300 dpi und der Komprimierung CCITT/TSS Group 4 Fax gescannt werden sollen.
„Die Vorgaben an das Scanformat“, so die Entwurfsbegründung, „soll ein Überschreiten der Mengenbegrenzung des EGVP bei der Übersendung und Performanceprobleme bei der Verarbeitung der Dokumente bei Gericht vorbeugen. Eine komprimierte Datenhaltung spart zudem Speicherressourcen.“19
Auch wenn die Entwurfsbegründung nachvollziehbar erscheint, berücksichtigt sie die tatsächliche Praxis nur unzureichend. So sind Originale, wenn sie in schwarz-weiß gescannt werden, häufig schlecht bzw. gar nicht lesbar. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Originalpapier selbst farbig ist bzw. Durchschlagpapier genutzt wurde. In diesen Fällen ist ein Scan in Graustufen oder Farbe notwendig.20 Zu beachten ist ebenfalls, dass andere Unterlagen ggf. qualitativ sehr hochwertig vorliegen, z. B. farbige Scans. An dieser Stelle gäbe es dann unterschied-ZRI 2023, 980liche Standards, je nachdem, ob es sich um vom Insolvenzverwalter eingescannte Unterlagen oder Fremdunterlagen handelt.
Zur Veranschaulichung möchten wir zudem auf Folgendes hinweisen:
Die Schwarz-Weiß-Vorgabe ermöglicht, ausweislich der Auskünfte eines IT-Dienstleisters für Insolvenzverwalterkanzleien, ein Maximum von ca. 450 Seiten (aktuell eher ca. 200 Seiten) pro Datenübermittlung. Dies entspricht, einhergehend mit der minderen Qualität der s/w-Scans, eher kleinen, bis maximal mittleren Verfahren mit höchstens 30-40 Gläubigern. Da derartige s/w-Scans qualitativ minderwertig sind, müssen die Verwalterkanzleien die Daten regelmäßig höherwertig für die eigene Nutzung einscannen. Da die Scans jedoch revisionssicher gespeichert werden müssen, können sie vor dem Versand nicht umkopiert werden, was wiederum bedeutet, dass die Kanzleien die Scans doppelt vorhalten müssen, einmal hochwertig und bestmöglich lesbar für die Eigenverwendung und einmal – offenbar unabhängig von der Lesbarkeit – minderwertig für den Gerichtsversand.
Aus dem Bereich der IT-Dienstleister für Insolvenzverwalterkanzleien erreichte uns zudem folgender Hinweis: Die CCITT/TSS Group 4 Kompression wurde zwar im ITU-T T.6 Fax-Standard definiert, hat jedoch schon seit geraumer Zeit nichts mehr grundsätzlich mit Telefaxen zu tun. Damit wird lediglich ein Kompressionsverfahren als solches beschrieben; es wird jedoch nicht definiert, welches Dateiformat verwendet werden soll. Die am weitesten verbreiteten Formate, die diese Kompression unterstützen, dürften TIFF und PDF sein. Auch an dieser Stelle wäre eine Klarstellung hilfreich.
cc) § 4 Abs. 2 Satz 3 VO-E (Übersendung von Papierunterlagen)
Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 VO-E sind die Originalunterlagen in Papier nach dem Scannen an das Insolvenzgericht zu übersenden.
Als Begründung findet sich dazu: „Da der Scanprozess bei den Insolvenzverwaltern nicht den Anforderungen „BSI TR-03138 Ersetzendes Scannen (RESISCAN)“ entspricht, sind die schriftlich eingereichten Forderungsanmeldungen parallel in Papierform dem Gericht zu übersenden, dass diese für die Nachprüfbarkeit aufbewahrt bzw. ggf. selbst nach TR-RESISCAN digitalisiert.“21
Die Regelung stellt nicht nur einen Medienbruch im Kommunikationsweg zwischen Insolvenzverwaltern und Gerichten dar, sondern verursacht erheblichen Zusatzaufwand.
Dabei handelt es sich nicht nur um den Aufwand des Insolvenzverwalters im Hinblick auf die Übersendung der Papierunterlagen, sondern insbesondere um dessen Scanaufwand.
Soweit die Entwurfsbegründung bereits jetzt davon ausgeht, dass die Scans des Insolvenzverwalters nicht den Anforderungen „BSI TR-03138 Ersetzendes Scannen (RESISCAN)“ genügen, stellt sich die Frage, ob es sich hier um eine „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ für Insolvenzverwalter handeln soll, zumal das Gericht ausweislich der Entwurfsbegründung die schriftlich eingereichten Forderungsanmeldungen ggf. erneut scannt.22
Auch lägen in diesem Fall zwei Scans der in Papierform eingereichten Anmeldeunterlagen vor (einmal durch das Gericht/einmal durch den Insolvenzverwalter), womit es dann zwei „Original-Scans“ gäbe. Zu klären wäre, welches dieser beiden Originale als „echt“ anzusehen ist. Dies ist auch vor dem Hintergrund klärungsbedürftig, dass der Gerichtsscan ggf. zeitlich deutlich später erfolgt und damit möglicherweise qualitativ minderwertiger ist (Alterung von Durchschlägen). Ferner stellt sich die Frage, wie mit fehlenden/hinzugekommenen Seiten bzw. zusätzlichen Anmerkungen auf dem Papier umzugehen ist.
Fraglich ist zudem, wie in diesem Zusammenhang die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 VO-E im Hinblick auf die sichere Aufbewahrung „originärer Datenbestände“ durch das Gericht zu verstehen ist.
Praktikabler wäre daher folgende Regelung: „Soweit mit den Insolvenztabellendaten zugehörige Dokumente an das Gericht übermittelt werden, reicht eine elektronische Übermittlung aus. Ausgenommen hiervon sind von Gläubigern vorgelegte Originaltitel.“
Dies wäre auch vor dem Hintergrund vorzugswürdig, dass vom Insolvenzverwalter lediglich weitergeleitete elektronische Dokumente den genannten Resiscan-Anforderungen ebenfalls nicht genügen. Fraglich ist auch, ob § 174 Abs. 4 InsO überhaupt Raum für besondere Form-anforderungen gibt.
Die Ausnahme von der nur digitalen Übermittlung für Originaltitel ist erforderlich, weil anderenfalls das Privileg des § 179 Abs. 2 InsO nicht zur Anwendung kommt.23
c) § 4 Abs. 3 VO-E (Anforderungen an Forderungsanmeldungen)
§ 4 Abs. 3 VO-E regelt die Anforderungen an die Sortierung, Nummerierung und Übermittlung der Forderungsanmeldungen.
Danach sind die Forderungsanmeldungen „pro Rang in einem elektronischen Dokument im Dateiformat PDF mit Lesezeichen, sortiert nach Rang/lfd. Nr./ggf. Unterziffer, beginnend mit der Forderungsanmeldung für jede laufende Nummer gemäß § 5 dieser Verordnung zu übermitteln. Die elektronischen Dokumente, die von den Gläubigern an den Verwalter übersandt wurden, sind nicht einzeln zu übermitteln.“
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Die Entwurfsbegründung führt dazu aus, dass „(…) [der] Insolvenzverwalter die einzelnen Forderungsanmeldungen, die elektronisch eingegangen sind oder nach § 4 Abs. 2 dieser Rechtsverordnung eingescannt wurden, pro Rang in eine Sammel-PDF überführt und entsprechend den Regelungen sortiert und nummeriert. (…) Dem Insolvenzverwalter wird zudem zur Pflicht gemacht, bei der Dokumentenbenennung des Sammel-PDFs einen einheitlichen sprechenden Namen zu wählen, nämlich Rang und Nummernkreis, um ein ressourcenintensives händisches oder KI-gestütztes Umbenennen bei Gericht zu vermeiden.“24
Diese Regelung wirft eine Vielzahl von Fragen auf. Zunächst fehlt es an einer Klarstellung, wie das Format einer solchen Sammel-PDF auszusehen hat (Wird ein PDF erstellt, das die einzelnen PDF-Anmeldungen als Anhänge enthält, wobei das Kerndokument des PDFs nur ein Inhaltsverzeichnis enthält, oder werden alle PDF-Dateien zu einem sehr langen Gesamt-PDF verkettet? In letzterem Fall: Wie werden die einzelnen PDFs eindeutig erkennbar voneinander separiert?). Völlig offen ist derzeit, welche Kosten in diesem Zusammenhang für etwaige Software(-updates) für die Insolvenzverwalterkanzleien anfallen.
Im Hinblick auf die Dokumentenbenennung des Sammel-PDFs sei nochmals darauf verwiesen, dass hier eine bundesweit einheitliche Regelung hilfreich wäre.
§ 4 Abs. 3 VO-E regelt ferner: „Das Lesezeichen soll die Angaben Rang/lfd. Nr./ggf. Unterziffer enthalten und auf jeder Seite oben rechts textuell sichtbar sein. Unterziffern sind sortiert nach der Forderungs-ID zu vergeben. Der Name des elektronischen Dokuments muss den Rang und den Nummernkreis enthalten.“
Hierbei handelt es sich um eine (weitere) Anforderung, die Aufwand auslöst und in Nordrhein-Westfalen (eTabInsO) nicht gefordert wird. Grundsätzlich sollten manuell initiierte Eingriffe nicht notwendig werden.
Wir gehen davon aus, dass mit „Lesezeichen“ eine Verknüpfungsart/pdf-Funktion gemeint ist, die jedoch nur im Rahmen kostenpflichtiger Programme, wie bspw. „Adobe Acrobat Pro“, zur Verfügung steht.
Fraglich ist auch, wie mit elektronischen Dokumenten umzugehen ist, wenn an der genannten Position („auf jeder Seite oben rechts“) bereits Nutzdaten vorhanden sind.
d) § 4 Abs. 4 VO-E (Rechtsfolgen)
Gemäß § 4 Abs. 4 VO-E liegt kein wirksamer Eingang vor, wenn die elektronischen Dokumente den zwingenden Anforderungen dieser Verordnung nicht entsprechen oder zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet sind.
Diese Rechtsfolge wurde vorgesehen, um sicherzustellen, dass der Insolvenzverwalter die in § 4 definierten, zwingenden Anforderungen einhält und beschränkt diese, so die Entwurfsbegründung, auf wenige Standards. Die Regelungen sind, so die Begründung weiter, „die Konsequenz aus der bisherigen Erfahrung mit elektronischen Einreichungen, deren uneinheitliche Benennung zu erheblichen Aufwänden bei der Eingangsverarbeitung durch die Gerichte führt“.25
Unklar bleibt, wer wann (verbindlich) feststellt, dass/ob die Einreichung wirksam war, ebenso, wer Ansprechpartner bei Problemen ist und ob Rechtmittel vorgesehen sind.
Aus dem Bereich der IT-Dienstleister für Insolvenzverwalterkanzleien erreichte uns ergänzend folgender Hinweis:
Diese wenigen Standards sind nicht eindeutig benannt, nicht bundeseinheitlich (ITR/TAB), nicht zukunftsträchtig (weder ITR noch TAB) und nicht bidirektional (notwendige Rückmeldung bei Prüfungen); zudem fehlt ein Nachmeldestandard. Ein essentieller Nachteil ist eine fehlende Versionierung, d. h., wenn ein neuer oder erweiterter Standard erscheint, ist es nicht möglich, im Rahmen eines Handshake-Verfahrens festzustellen, welcher Standard von den Beteiligten verwendet wird bzw. verwendet werden soll.
5. Elektronische Einreichung der Tabellen sowie Anmeldeunterlagen
§ 5 VO-E
(1) Die Tabellen und die Anmeldeunterlagen in Form des § 4 Abs. 1 und 3 dieser Verordnung sind ausschließlich wie folgt zu übermitteln:
1. auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 Zivilprozessordnung oder
2. jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts über eine Anwendung, die auf OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht.
(2) Können die Tabellen und die Anmeldeunterlagen in Form des § 4 Abs. 1 und 3 über den in § 5 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Übermittlungsweg nicht übermittelt werden, gelten § 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz entsprechend. Als Datenträger kann alternativ ein USB-Stick verwendet werden. Bei Überschreitung der Dokumentenanzahl und Volumengrenzen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz ist eine Ersatzeinreichung nur zulässig, wenn die unter § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 dieser Verordnung genannten Vorgaben für das Scannen vollständig eingehalten wurden und die Volumengrenze trotzdem überschritten wird. Die Voraussetzun-ZRI 2023, 982gen an die Führung und Einreichung der maschinell geführten Tabelle sind auch im Falle der Ersatzeinreichung einzuhalten, soweit sie nicht den Vorgang der elektronischen Übermittlung betreffen.
a) § 5 Abs. 1 VO-E (Übermittlung)
Im Hinblick auf die Formulierung „Anmeldeunterlagen“ sollte zunächst klargestellt werden, ob damit die gesamten Forderungsanmeldungen inklusive aller Nachweise gemeint sind.
aa) § 5 Abs. 1 Nr. 1 VO-E (sicherer Übermittlungsweg)
Für die Übermittlung der Tabellen und Anmeldeunterlagen sind zwei Alternativen vorgesehen. Die Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO dürfte dabei in der Praxis den Standard darstellen. D. h., eine Übermittlung erfolgt entweder per beA (§ 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO) oder per eBO (§ 130a Abs. 4 Nr. 4 ZPO).
bb) § 5 Abs. 1 Nr. 2 VO-E (qualifizierte elektronische Signatur)
Die Übermittlung der Tabellen und Anmeldeunterlagen an das EGVP des Gerichts jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen betrifft danach nur die Fälle, in denen kein sicherer Übermittlungsweg i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 VO-E genutzt wird.
So verweist die Entwurfsbegründung zu § 5 Abs. 1 VO-E zwar darauf, dass eine Anlehnung an die Regelungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO erfolgt, eine qualifizierte elektronische Signatur jedoch lediglich bei der Alternative der Nutzung des EGVP des Gerichts (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 VO-E) erforderlich ist.26
Fraglich ist jedoch, wie in diesen Fällen die Bezeichnung „jeweils“ auszulegen ist. Nach dem Wortlaut käme ein Verständnis dahingehend in Frage, dass es sich entweder auf den Übermittlungsvorgang als solchen oder auf die Tabelle und die (zusammengefassten) Anmeldeunterlagen bezieht. Hier ist, auch vor dem Hintergrund der Prüfung, ob etwaige Containersignaturen zulässig sind, eine Klarstellung geboten.
b) § 5 Abs. 2 VO-E (Ausnahmeregelungen)
(2) Können die Tabellen und die Anmeldeunterlagen in Form des § 4 Abs. 1 und 3 über den in § 5 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Übermittlungsweg nicht übermittelt werden, gelten § 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz entsprechend. Als Datenträger kann alternativ ein USB-Stick verwendet werden. Bei Überschreitung der Dokumentenanzahl und Volumengrenzen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz ist eine Ersatzeinreichung nur zulässig, wenn die unter § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 dieser Verordnung genannten Vorgaben für das Scannen vollständig eingehalten wurden und die Volumengrenze trotzdem überschritten wird. Die Voraussetzungen an die Führung und Einreichung der maschinell geführten Tabelle sind auch im Falle der Ersatzeinreichung einzuhalten, soweit sie nicht den Vorgang der elektronischen Übermittlung betreffen.
Die Regelung bestimmt, ab wann und in welcher Form eine Ersatzeinreichung durch den Insolvenzverwalter möglich ist. Dies ist, so die Entwurfsbegründung, notwendig, um bei Überschreitung der aktuellen Mengenbegrenzung auf 200 MB eine rechtskonforme Ersatzeinreichung zu ermöglichen. Zudem ist, so die Begründung weiter, „eine elektronische Übermittlung von Dokumenten und strukturierten Daten nur dann möglich, wenn die Empfangseinrichtung einsatzbereit ist. Hier können sich Störungen verschiedenster Art ergeben“.27 Dass der Insolvenzverwalter bei technischen Hindernissen die Dokumente ausnahmsweise auf einem Datenträger wie bspw. einer CD, DVD oder einem USB-Stick28 einreichen kann, ist grundsätzlich begrüßenswert. Die genannte Mengenbegrenzung, aber auch das Auftreten technischer Störungen könnte in der Praxis gerade in (Massen-)Insolvenzverfahren durchaus häufig Probleme bereiten.
Wir weisen allerdings darauf hin, dass die Gerichte bei Verwendung externer Datenträger geeignete Sicherungsvorkehrungen treffen müssen, um eine Infizierung mit Schadsoftware zu verhindern.
Aus dem Bereich der IT-Dienstleister für Insolvenzverwalterkanzleien erreichte uns ergänzend folgender Hinweis:
Die aktuell 200 MB entsprechen nicht dem tatsächlich möglichen maximalen Datenvolumen, denn die Daten müssen für den Transport umkodiert werden, wodurch ein Nutzvolumen zwischen 70 – 75 % (also ca. 140 – 150 MB) für eine Übertragung übrigbleibt. Eine Schwarz-Weiß-Seite hat ca. 300 kB, eine Farbseite ca. 1 MB. Entsprechend können auf diesem Wege maximal 400 – 500 Seiten S/W übertragen werden.
6. Elektronische Signatur
§ 6 VO-E
Bei der maschinell geführten Tabelle werden alle Tabellenblattnummern der geprüften Forderungen in einer Textdatei aufgelistet, die qualifiziert elektronisch von dem zuständigen Organ der Rechtspflege zu signieren ist. Berichtigungen sind in entsprechender Vorgehensweise gesondert qualifiziert elektronisch von dem zuständigen Organ der Rechtspflege zu signieren. Die Text- und die Signaturdatei werden Bestandteil der maschinell geführten Tabelle.
ZRI 2023, 983
Auch wenn sich die Regelung auf die Führung der Tabelle in maschineller Form bei Gericht bezieht und bestimmt, in welcher Weise die Gerichte die Forderungsprüfung im Zusammenspiel mit der maschinell geführten Tabelle umsetzen29, stellen sich aus Sicht der Insolvenzverwalterpraxis und ihrer IT-Dienstleister Fragen.
a) Textdatei
Textdateien können nicht signiert werden, denn es sind – nur – Textdateien. Signierbare Dateien sind jeweils Container, die zusätzlich eine Signaturkomponente enthalten. Fraglich ist daher, welche Art einer elektronischen Signatur gemeint ist. Unklar ist ferner, ob an dieser Stelle Revisionssicherheit gefordert ist bzw. wer (wo) diese Daten speichert.
b) Signatur
Im Hinblick auf das Anbringen der Signatur durch den Richter bzw. Rechtspfleger30 stellt sich die Frage, wo die Signatur angebracht wird. Ohne eine spezielle Signatur-Infrastruktur können nur PDF-Dateien signiert werden.
Fraglich wäre dann, welche PDF-Datei signiert wird. Die eingereichte Datei ist ein Original und kann als revisionssicheres Original (z. B. PDF/A-2) nicht bearbeitet werden, d. h. auch nicht signiert werden. Um eine Signatur anzubringen, muss die Originärität der PDF-Datei aufgebrochen werden (das PDF muss in den bearbeiten-Modus gewechselt werden, wodurch es eben kein PDF/A mehr ist). Dann kann dieses PDF durch Richter bzw. Rechtspfleger signiert und neu als PDF/A-2 gespeichert werden. Dies ist dann jedoch per Definition ein anderes Dokument als das ursprüngliche. Eine Gleichheit der Dokumente ist nicht gewährleistet.
Umgehen ließe sich diese Problematik (nur), indem man das ursprüngliche PDF in seiner Form belässt und es als Anhang einem vom Richter bzw. Rechtspfleger neu erstellten und signierten PDF beifügt. Damit ist das ursprüngliche PDF, also der informatorisch wichtige Inhalt, jedoch nicht mehr im direkten Zugriff nach dem Öffnen der PDF-Datei vorhanden, sondern muss aus diesem als Anhang extrahiert und zusätzlich geöffnet werden.
7. Unveränderlichkeit der Daten
§ 7 VO-E
Nach der Signatur ist technisch sicherzustellen, dass der die Signatur betreffende Teil der maschinell geführten Tabelle unveränderlich gespeichert wird.
Die Regelung gibt vor, dass eine unveränderliche Speicherung auch der Signatur seitens der Gerichte technisch sicherzustellen ist und die Aufbewahrungsfristen für die maschinell geführte Tabelle eine 30-jährige Speicherung erfordern.31
Für den Bereich der IT-Dienstleister wirft die Formulierung der unveränderlichen Speicherung Fragen auf. Eine unveränderliche Speicherung setzt danach voraus, dass die Daten auf einem nicht änderbaren Medium abgelegt werden. Aktuell kämen dafür nur optische Medien in Frage. Die Langzeitstabilität solcher Medien sei indes – selbst bei fachgerechter Lagerung – final noch nicht geklärt. Vor einigen Jahren habe sich gezeigt, dass die organischen Bestandteile von DVDs und CDs anfällig für bakteriellen Fraß seien. Unabhängig von der Art des verwendeten Archiv-Datenträgers müsse eine sachgerechte Lagerung und zyklische Überprüfung gewährleistet werden.32
Ergänzende Anmerkung:
Im Hinblick auf die angebrachte Signatur stellt sich die Frage, ob/wie im Fall einer Änderung des Prüfergebnisses (z. B. nachträgliche Rücknahme oder Anerkennung) auch die Änderungseintragung signiert werden muss.
8. Aufbewahrung
§ 8 O-E
Die maschinell geführte Tabelle ist entsprechend den Fristen der Verordnung über die Aufbewahrung und Speicherung von Justizakten zu speichern. Innerhalb dieser Speicherungsfrist muss ein Zugriff auf den Inhalt der maschinell geführten Tabelle möglich sein.
Die Regelung sieht den Zugriff auf den Inhalt der maschinell geführten Tabelle vor. Ein Zugriff auf die visualisierte Form reicht ausweislich der Entwurfsbegründung nicht aus, „weil insoweit die Signaturen nicht nachvollzogen werden können“.33
Abgesehen von dem unter Ziffer 7. bereits angesprochenen Problem der Datenkorruption bei Langzeitlagerung bleibt unklar, für wen dieser Zugriff vorgesehen ist und wie schnell er möglich sein soll.
9. Niederlegung der maschinell geführten Tabelle
§ 9 VO-E
Die Niederlegung zur Einsicht der Beteiligten gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 Insolvenzordnung erfolgt durch die Ablage einer visualisierten Form der durch den Insolvenzverwalter übermittelten Tabellendaten und der Ablage der gemäß § 4 Abs. 3 dieser Verordnung eingereichten Forderungsanmeldungen in der elektronischen Akte.
Die Vorschrift sieht vor, dass die Ablage der visualisierten Form der übermittelten Tabellendaten der Niederlegung entspricht.34 ZRI 2023, 984Die Bezugnahme auf die Ablage in der elektronischen Akte soll Beteiligten ermöglichen, zukünftig online über das Akteneinsichtsportal Einsicht in die Tabellendaten nehmen zu können.
Im Hinblick auf die Formulierung „visualisierte Form“ der durch den Insolvenzverwalter übermittelten Tabellendaten wäre eine Klarstellung hilfreich, in welcher Form eine solche vorliegend gegeben ist.
Zur Niederlegung der Tabelle sollte dringend eine Regelung für die Einsichtnahme durch Beteiligte ergänzt werden. So regelt § 4 eTab InsO-NRW diesen Punkt wie folgt: „Die Einsichtnahme in die auf der Geschäftsstelle gemäß § 175 Absatz 1 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866) in der jeweils geltenden Fassung ausgelegte elektronische Tabelle erfolgt elektronisch. Belangen der Informationssicherheit ist Rechnung zu tragen. Insbesondere darf bei der Einsichtnahme kein schreibender Zugriff auf Tabelle und Akte sowie kein Zugriff auf das Landesverwaltungsnetz möglich sein.“
10. Inkrafttreten
§ 10 VO-E
Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.
Es ist sicherzustellen, dass den Insolvenzverwaltern ausreichend Zeit für etwaig notwendige (System-)Umstellungen eingeräumt wird. Für den Fall einer Überführungsverpflichtung des Insolvenzverwalters i. S. d. § 4 Abs. 4 VO-E ist zunächst grundsätzlich eine entsprechende Vergütungsregelung vorzusehen.
Berlin, 4. 10. 2023
- 1
- 1)Anschreiben des Niedersächsischen Justizministeriums vom 29. 8. 2023, S. 2.
- 2
- 2)Eckpunkte der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) vom 30. 8. 2023, abrufbar unter: BMJ – Homepage – Eckpunkte der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV)
- 3
- 3)Anschreiben (Fußn. 1), S. 5.
- 4
- 4)Zur Digitalisierung der Justiz siehe auch Presseberichterstattung über den erwarteten Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz: https://www.lto.de/recht/justiz/j/referentenentwurf-bmj-digitalisierung-justiz-elektronischer-rechtsverkehr-vereinfachung/.
- 5
- 5)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 3 (unter Begründung, A. Allgemeiner Teil).
- 6
- 6)Verordnung über die elektronische Führung und Einreichung der Tabellen und Verzeichnisse sowie der dazugehörigen Dokumente in Insolvenzsachen im Land Nordrhein-Westfalen (eTabelle Insolvenzordnung – eTab InsO) i. d. F. vom 1. 2. 2022, abrufbar unter SGV Inhalt : Verordnung über die elektronische Führung und Einreichung der Tabellen und Verzeichnisse sowie der dazugehörigen Dokumente in Insolvenzsachen im Land Nordrhein-Westfalen (eTabelle Insolvenzordnung – eTab InsO)* | RECHT.NRW.DE.
- 7
- 7)Vgl. dazu auch § 3 eTabInsO (NRW).
- 8
- 8)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 4 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 9
- 9)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 5 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 10
- 10)Vgl. dazu auch § 1 Abs. 2 Satz 3 eTabInsO (NRW).
- 11
- 11)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 5 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 12
- 12)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 5 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 13
- 13)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 14
- 14)Vgl. Fußn. 4 zum anstehenden Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz.
- 15
- 15)Anschreiben (Fußn. 1), S. 5.
- 16
- 16)Anders dagegen eTabInsO (NRW), die eine solche Verpflichtung nicht vorsieht.
- 17
- 17)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 18
- 18)Vgl. auch § 753 Abs. 6 ZPO-E des aktuellen Referentenentwurfs eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung, der die Überführung von in Papierform vorliegenden Schriftstücken in die elektronische Form zur Übermittlung an den Gerichtsvollzieher vorsieht (RefE abrufbar unter: Digitalisierung_Zwangsvollstreckung_RefE.pdf (bmj.de)).
- 19
- 19)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 20
- 20)Problematisch ist dabei § 5 Abs. 2 Satz 3 VO-E, der eine Ersatzeinreichung nur als zulässig erachtet, wenn die genannten Scan-Vorgaben eingehalten sind.
- 21
- 21)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 22
- 22)Grundsätzlich dürfte sich der Dateimengenumfang bei einem Scan via TR-RESISCAN weiter erhöhen, was im Hinblick auf die Dateimengenbegrenzung zu beachten wäre.
- 23
- 23)Vgl. BGH v. 1. 12. 2005 – IX ZR 95/04, ZVI 2006, 26, Rz. 13; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 179 Rz. 24.
- 24
- 24)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 25
- 25)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 26
- 26)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 7 (unter Begründung, B. Besonderer Teil): „Bei Letzterem ist entsprechend § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 Zivilprozessordnung eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich. Hierdurch wird die Integrität und Authentizität der Einreichungen sichergestellt.“
- 27
- 27)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 7 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 28
- 28)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 7 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 29
- 29)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 7 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 30
- 30)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 7 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 31
- 31)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 8 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 32
- 32)Ausführlich zu elektronischen Daten als Beweismittel Koppel/Geiser, ZInsO 2023, 768.
- 33
- 33)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 8 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).
- 34
- 34)Vgl. Verordnungsentwurf, S. 8 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).