ZRI 2023, 140

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2023 Literatur

McCormack, Gerard, EU Insolvency Law – Cross-Border Insolvency Law in Comparative Focus,

Cheltenham, UK/Northampton, MA, USA (Edward Elgar Publishing), 2022, VIII und 322 Seiten, 119,95 €
Gerry McCormack, Professor of International Business Law an der Universität in Leeds/UK und einer der führenden Insolvenzrechtswissenschaftler Englands, hat ein interessantes Buch vorgelegt. Es ist schon deshalb spannend, weil sich der Autor, der sich seit Jahrzehnten rechtsvergleichend mit dem Internationalen Insolvenzrecht befasst, durch den Brexit nicht davon hat abhalten lassen, eine Schrift zu verfassen, in deren Mittelpunkt die EuInsVO steht. Allerdings handelt es sich nicht um einen Kommentar, sondern um eine tiefgreifende, auf der Rechtsprechung des EuGH und der englischen Gerichte basierende Analyse, in der bestimmte Aspekte des Internationalen Insolvenzrechts darauf untersucht werden, wie sie in der EuInsVO einerseits und dem UNCITRAL Modellgesetz zu grenzüberschreitenden Insolvenzen andererseits behandelt werden. Da das UNCITRAL Modellgesetz auch in England umgesetzt wurde (in den Cross-Border Insolvency Regulations 2006), steht insoweit das englische Recht im Vordergrund.
Das Buch ist in zehn Kapitel gegliedert. Das erste stellt die EuInsVO in ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrem Anwendungsbereich vor. Dabei wird der Abgrenzung zum Anwendungsbereich der EuGVVO (Brüssel Ia-VO) breiter Raum eingeräumt, was der Autor zum Anlass nimmt, die englische Rechtsprechung zur Anerkennung von Schemes of Arrangement unter diesen beiden Rechtsakten zu analysieren.
Im zweiten Kapitel geht es um Hauptinsolvenzverfahren. Hier steht das COMI-Konzept, also die Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit an des Schuldners centre of main interests in Art. 3 EuInsVO, im Mittelpunkt des Interesses. Auch dazu gibt es reichlich Rechtsprechung nicht nur des EuGH, sondern auch der englischen Gerichte, was nicht weiter verwunderlich ist, da auch das UNCITRAL Modellgesetz an den COMI anknüpft. Besonderes Augenmerk wird auf die Zuständigkeit in Konzerninsolvenzverfahren sowie die Verlegung des COMI (forum shopping) gelegt, aber auch der Zuständigkeitskonflikt in dem Fall, dass sich Gerichte mehrerer Staaten für zuständig halten, wird – auch bezüglich von Sicherungsmaßnahmen im vorläufigen Insolvenzverfahren – in den Blick genommen.
Es ist konsequent, wenn dann im dritten Kapitel die Sekundär- und Territorialinsolvenzverfahren behandelt werden, primär unter dem Aspekt der internationalen Zuständigkeit. Breiter Raum wird dabei dem Begriff der Niederlassung, dessen Verhältnis zur Belegenheit von Massegegenständen und dem Nebeneinander von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren eingeräumt.
Unter Zuständigkeitsgesichtspunkten müssen auch die Annexverfahren diskutiert werden, wie sie heute in Art. 6 EuInsVO erfasst sind. Das geschieht im vierten Kapitel. Der Autor zeichnet dazu die Rechtsprechung des EuGH nach und befasst sich näher mit der Frage, welche Verfahren „unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen“ (Art. 6 Abs. 1 EuInsVO).
Ein Schwerpunkt liegt bei den Problemen des anwendbaren Rechts. Dazu werden im fünften Kapitel die allgemeinen Regeln des Art. 7 EuInsVO und im sechsten Kapitel die Ausnahmen der Art. 8 - 18 EuInsVO thematisiert und einer detaillierten Analyse zugeführt. Erstaunlich ist, dass dabei die reichhaltige internationale Kritik an diesen Ausnahmen völlig verschwiegen wird. Nur ganz am Schluss des sechsten Kapitels meint der Autor, einige der diesen Normen zugrunde liegenden rechtspolitischen Entscheidungen müssten noch einmal überdacht werden (S. 165). Hinweise auf die weit verbreitete Literatur dazu finden sich indessen nicht.
Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit den Beteiligten, also den Gerichten, den Insolvenzverwaltern, den Gläubigern und den Besonderheiten in der Konzerninsolvenz. Hier geht es zunächst im Schwerpunkt um die Anerkennung inländischer Insolvenzverwalter im Ausland und die Kooperations- und Koordinationspflichten zwischen Gerichten untereinander, Gerichten und Insolvenzverwaltern sowie zwischen Insolvenzverwaltern untereinander. Auch den Gläubigerrechten wird breiter Raum eingeräumt. Wenig verwunderlich ist schließlich, dass auch McCormack dem in Art. 61 ff. EuInsVO geregelten Gruppen-Koordinierungsverfahren skeptisch gegenübersteht.
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Insolvenzverfahren sind Gegenstand des achten Kapitels. Hier geht es im Wesentlichen um Art. 19, 20 und 32 EuInsVO und die Vollstreckung von insolvenzverfahrensbezogenen Entscheidungen nach Art. 39 ff. EuGVVO. Große Aufmerksamkeit wird dabei auf den ordre public-Vorbehalt des Art. 33 EuInsVO gerichtet.
Von besonderem Interesse ist das neunte Kapitel, das nun sehr grundsätzlich die EuInsVO mit dem UNCITRAL Modellgesetz vergleicht. Man darf diesen Abschnitt sicher ohne Übertreibung als das Herzstück des Buches bezeichnen. McCormack stellt am Ende richtig fest, dass die EuInsVO über das Regelungsinstrumentarium des Modellgesetzes deutlich hinausgeht, und kritisiert den Umstand, dass die Umsetzungen des Modellgesetzes in nationale Rechte an verschiedenen Stellen maßgeblich divergieren. Das gilt nicht zuletzt für die USA einerseits und das Vereinigte Königreich andererseits.
Das zehnte und letzte Kapitel hat noch einmal zwei Schwerpunkte. Zum einen wird der ordre public-Vorbehalt des Art. 6 UNCITRAL Modellgesetz in den Blick genommen, freilich ohne dass untersucht würde, ob dieser Vorbehalt unter der EuInsVO anders gehandhabt wird als unter dem Modellgesetz. Zum anderen werden ergänzende UNCITRAL Modellgesetze vorgestellt, insbesondere das Modellgesetz zu Konzerninsolvenzen und das Modellgesetz zur Anerkennung und Vollstreckung von Annexverfahren.
Insgesamt ist dies ein lesenswertes Buch. Englischer Wissenschaftstradition folgend ist es sehr rechtsprechungslastig, während Literatur nur sehr vereinzelt ausgewertet wird. Das ändert aber nichts daran, dass hier eine vertiefte rechtsvergleichende Analyse der wichtigsten Aspekte des Europäischen Insolvenzrechts vorgelegt wird. Der Autor kann bei seinem Werk, bei dem einige Passagen auf früheren Publikationen aufbauen (so entspricht beispielsweise der Abschnitt 6.2 über die Aufrechnungsregel in Art. 9 EuInsVO zum Teil dem sehr erhellenden Aufsatz von McCormack zu diesem Thema in Int. Ins. Rev. 29 (2020), 100, 110 ff.), von seiner immensen Expertise auf diesem Rechtsgebiet profitieren. Für den deutschen Leser eröffnet der „Blick von draußen“ manche neue Perspektive. Es ist daher eine in jeder Hinsicht lohnende Lektüre!
Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg

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