ZRI 2024, 208

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2024 RechtsprechungInsolvenzrechtInsO §§ 38, 87, 92, 174, 174 ff., 175, 176; BGB § 823 Abs. 2, § 826; StGB § 283 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1; ZPO §§ 322, 850fKeine Verfolgbarkeit von Schadensersatzforderungen aus vor Verfahrenseröffnung begangenem masseschädigenden Verhalten des Schuldners durch den Insolvenzverwalter InsO§ 38 InsO§ 87 InsO§ 92 InsO§ 174 InsO§§ 174 ff. InsO§ 175 InsO§ 176 BGB§ 823 BGB§ 826 StGB§ 283 ZPO§ 322 ZPO§ 850f OLG Braunschweig, Urt. v. 13.09.2023 – 9 U 14/23 (rechtskräftig; LG Braunschweig)OLG BraunschweigUrt.13.9.20239 U 14/23rechtskräftigLG Braunschweig

Leitsätze des Gerichts:

1. Die Insolvenzordnung stellt kein Verfahren für die Geltendmachung eines vor der Eröffnung entstandenen Zahlungsanspruchs gegen den Schuldner durch den Verwalter bereit (Anschluss an BGH, Urt. v. 21. 10. 2021 – IX ZR 265/20, ZRI 2022, 37 = ZVI 2022, 193, Rz. 14 – 20).
2. Verheimlicht ein Schuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Verbleib des Geldes, das er vor dem Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bar abgehoben hat, bzw. den Verbleib der von ihm damit sogleich erworbenen Gegenstände, so ist ein hieraus erwachsener Schaden zivil- und insolvenzrechtlich nicht denknotwendig als „nach Verfahrenseröffnung entstanden“ zu qualifizieren (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 14. 3. 2016 – 1 StR 337/15, ZVI 2016, 275, Rz. 15 und 22 f.).
3. In zivil- und insolvenzrechtlicher Hinsicht genügt zur Begründung eines auf Leistung gerichteten Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 283 StGB eine lediglich abstrakte Gefährdung der Gläubigerinteressen nicht, sondern ist eine konkrete Rechtsgutsverletzung erforderlich. Bei vom Schuldner vor Insolvenzeröffnung getätigten masseverkürzenden Barabhebungen ist diese bereits zum Zeitpunkt der Barabhebungen eingetreten, weil durch die Barabhebungen ein alsbaldiger Zugriff möglicher Gläubiger auf diese Vermögenswerte jedenfalls bereits erheblich erschwert worden ist, was für die Tatbestandserfüllung des § 283 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB genügt (vgl. BGH, Beschl. v. 22. 1. 2013 – 1 StR 234/12, Rz. 5). Bereits hierdurch ist der Rechtsgrund des Schadensersatzanspruchs zumindest gelegt und die Forderung i. S. d. § 38 InsO damit begründet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann die Forderung gem. §§ 87, 174 ff. InsO nur noch durch Anmeldung zur Tabelle verfolgt werden, weshalb eine Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter ausgeschlossen ist.
ZRI 2024, 209
4. Erwirkt ein Insolvenzverwalter gegen einen Schuldner ein rechtskräftiges, aber nicht vollstreckungsfähiges Feststellungsurteil mit dem Inhalt, dass der Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts dahingehend zu ergänzen sei, dass der Schuldner dem Insolvenzverwalter aus dem Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung einen Betrag i. H. v. 58.500 € nebst Zinsen schulde, so erwächst daraus in einem Folgeprozess über eine zur selben Forderung auf Zahlung erhobenen Leistungsklage gegen den Schuldner keine Bindungswirkung dahingehend, dass der Insolvenzverwalter zur Geltendmachung des Zahlungsanspruchs aktivlegitimiert ist.

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