ZRI 2023, 169

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2023 RechtsprechungInsolvenzrechtAO §§ 32c, § 32e; DSGVO Art. 15 Abs. 1; InsO § 80Insolvenzverwalter kein „Betroffener“ hinsichtlich der beim Finanzamt gespeicherten Daten AO§ 32c AO§ 32e DSGVOArt. 15 InsO§ 80 OVG Bremen, Beschl. v. 10.01.2023 – 1 LA 420/21 (rechtskräftig; VG Bremen)OVG BremenBeschl.10.1.20231 LA 420/21rechtskräftigVG Bremen

Leitsätze des Gerichts:

1. Ein Insolvenzverwalter ist hinsichtlich der beim Finanzamt gespeicherten personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners nicht Betroffener i. S. v. Art. 15 Abs. 1 DSGVO.
2. Bei dem datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht, das untrennbar mit der Person des Schuldners verknüpft und einer von der Person des Schuldners losgelösten Verwertung nicht zugänglich ist. Damit wird es nicht Teil der Insolvenzmasse.
3. Durch § 32e AO werden die in den § 32a bis § 32d AO vorgesehenen Beschränkungen des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO mittels Rechtsfolgenverweisung auf Informationszugangsansprüche aus § 1 BremIFG erstreckt.

Gründe:

I. Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter Zugang zu den bei der Beklagten über die Insolvenzschuldnerin gespeicherten Daten.
Mit Beschluss vom 15. 8. 2016 eröffnete das AG Hamburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Die Beklagte meldete Forderungen i. H. v. 610.280,20 € zur Insolvenztabelle an.
Am 14. 11. 2019 stellte der Kläger einen Auskunftsantrag bei der Landeshauptkasse der Beklagten und bat unter anderem um Übersendung eines Ausdrucks aus dem Steuerkonto sowie um die Gewährung von Einsicht in die Veranlagungs- und Vollstreckungsakten, die Betriebsprüfungsakte, die Betriebsprüfungsarbeitsakten sowie die Bilanzakte.
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Mit Bescheid vom 28. 11. 2019 lehnte die Beklagte den Auskunftsantrag mit der Begründung ab, die Auskunftserteilung sei unzulässig. Die Auskunftserteilung beeinträchtige die Beklagte in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der Verteidigung gegen sie geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche i. S. d. Art. 23 Abs. 1 lit. j DSGVO i. V. m. § 32a Abs. 1 Nr. 3 AO.
Hiergegen hat der Kläger am 27. 12. 2019 Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. 10. 2021 abgewiesen hat. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO sei eröffnet, es handele sich nicht um eine Abgabenangelegenheit i. S. v. § 33 Abs. 2 FGO. Die Klage sei hinsichtlich des Streitgegenstandes „Steuerkontoauszug“ unzulässig, da sich das Verfahren insoweit durch Übersendung eines Steuerkontoauszugs zur Steuernummer … erledigt habe und dem Kläger nunmehr das Rechtsschutzbedürfnis für die hierauf gerichtete Klage fehle. Hinsichtlich der von dem Kläger begehrten Akteneinsicht sei die Klage als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die bei der Beklagten über die Insolvenzschuldnerin geführten Akten, ein solcher Anspruch folge weder aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO noch aus Art. 20 Abs. 1 DSGVO. Gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO habe die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden und könne hierüber Auskunft verlangen. Der Kläger sei aber weder als Betroffener in diesem Sinne anzusehen noch sei er in sonstiger Weise anspruchsberechtigt. Ein Anspruch des Klägers folge ferner weder aus § 29 BremVwVfG noch aus § 1 BremIFG. Schließlich könne er sein Auskunftsbegehren ebenso wenig erfolgreich auf eine entsprechende Anwendung von § 985 BGB oder § 242 BGB oder auf § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO stützen. Auch § 80 Abs. 1 InsO bilde keine eigene Anspruchsgrundlage für ein Einsichtsrecht.
Mit dem vorliegenden Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegengetreten ist, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat keine Gründe dargelegt, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
1. Die Berufung ist nicht gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zuzulassen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sind zu bejahen, wenn mit dem Zulassungsantrag ein einzelner die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 16. 1. 2017 – 2 BvR 2615/14, Rz. 19 m. w. N. und BVerfG v. 9. 6. 2016 – 1 BvR 2453/12, Rz. 16; st. Rspr. des Senats, vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 30. 6. 2021 – 1 LA 285/20, juris Rz. 11 m. w. N.). Hinsichtlich der Richtigkeitszweifel kommt es grundsätzlich nicht auf die einzelnen Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (BayVGH, Beschl. v. 20. 3. 2017 – 4 ZB 16.1815, juris Rz. 9). Zur Darlegung der ernstlichen Zweifel (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffs auseinandersetzen (OVG Bremen, Beschl. v. 30. 6. 2021 – 1 LA 285/20, juris Rz. 11; OVG Lüneburg, Beschl. v. 20. 5. 2021 – 10 LA 250/20, juris Rz. 9 m. w. N.). Ob ein dargelegter Grund für die Zulassung der Berufung besteht, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag (BVerwG, Beschl. v. 15. 12. 2003 – BVerwG 7 AV 2.03, juris Rz. 10; BayVGH, Beschl. v. 18. 12. 2009 – 11 ZB 08.586, juris Rz. 4).
Hieran gemessen stellt das Zulassungsvorbringen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht schlüssig in Frage.
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die von ihm geltend gemachten Ansprüche nicht auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO stützen kann. Der Kläger ist weder „Betroffener“ i. S. v. Art. 15 Abs. 1 DSGVO (aa)) noch ist das Auskunftsrecht unmittelbar durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (bb)) oder durch die Ermächtigungserklärung des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin (cc)) auf den Kläger übergegangen, weil es sich bei dem datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch um ein höchstpersönliches Recht handelt. Hiergegen kann der Kläger nicht erfolgreich einwenden, dass die Insolvenzschuldnerin als juristische Person den grundrechtlichen Schutz der personenbezogenen Daten nicht beanspruchen könne (dd)). Ferner kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht unmittelbar auf Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG stützen (ee)).
aa) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, sein Auskunftsersuchen unmittelbar auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO stützen zu können. Diese Vorschrift vermittelt den Auskunftsanspruch jeder natürlichen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf weitere, in Art. 15 Abs. 1 lit. a bis h DSGVO im Einzelnen aufgeführte Informationen. Die Datenschutz-Grundverordnung selbst schützt nur natürliche Personen; § 2a Abs. 5 AO erweitert den persönlichen Anwendungsbereich aber nach nationalem Recht auf Körperschaften, wie z. B. juristische Personen.
Betroffene Person i. S. d. Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist die natürliche Person, die durch die jeweiligen personenbezogenen Daten identifizierbar oder identifiziert ist, auf die sich die personenbezogenen Daten also beziehen, nicht aber der Insolvenzverwalter hinsichtlich der personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners (BVerwG, Urt. v. 16. 9. 2020 – BVerwG 6 C 10.19, ZRI 2021, 159 = ZVI 2021, 99, Rz. 16). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO und der in Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthaltenen Legaldefinition der „personenbezogenen Daten“. Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Im Umkehrschluss kann nicht „betroffene Person“ i. S. d. Art. 4 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1 DSGVO sein, wer durch die jeweiligen personenbezogenen Daten nicht ZRI 2023, 171identifiziert oder identifizierbar ist (BVerwG ZRI 2021, 159 = ZVI 2021, 99, Rz. 17).
Von diesen Erwägungen ausgehend hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der Kläger nicht „Betroffener“ i. S. v. Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist, da die von ihm begehrten Auskünfte keine Daten betreffen, die auf ihn selbst bezogen sind, sondern ausschließlich solche Daten, die die Insolvenzschuldnerin betreffen. Das Argument des Klägers, seine Identifizierbarkeit ergebe sich aus seiner Bestellung als (vorläufiger) Verwalter durch die Bezugnahme auf die „alte“ Steuernummer der Insolvenzschuldnerin, greift nicht durch. Denn diese „alte“ Steuernummer der Insolvenzschuldnerin bezieht sich gerade nicht auf den Insolvenzverwalter persönlich, sondern auf die Insolvenzschuldnerin, deren steuerlichen Verpflichtungen der Kläger als Vermögensverwalter i. S. v. § 34 Abs. 3 AO zu erfüllen hat (vgl. BVerwG ZRI 2021, 159 = ZVI 2021, 99, Rz. 21).
Der Einwand des Klägers, eine Verweigerung der Auskunftserteilung sei für ihn unzumutbar, weil ihm die begehrten Informationen kraft Amtes zustünden und von ihm für eine pflichtgemäße Amtsausübung benötigt würden, rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis. Das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO dient nicht der Schaffung eines Zugangs zu Verwaltungsdokumenten, weil dies nicht die Zielrichtung des europäischen Datenschutzrechts ist (BVerwG ZRI 2021, 159 = ZVI 2021, 99, Rz. 20 mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 17. 7. 2014 – Rs C-141/12, Rz. 46). Vielmehr berechtigt er betroffene Personen, von dem für die Datenspeicherung Verantwortlichen die Berichtigung, Löschung oder Sperrung der Daten zu verlangen. Das Bundesverwaltungsgericht betont insoweit, dass der Auskunftsanspruch lediglich dem Schutz ideeller Interessen der jeweils betroffenen Person diene und keinen Vermögensbezug aufweise. An diesem Verständnis ändere auch das Recht des Insolvenzverwalters nichts, im Rahmen des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO grundsätzlich über alle steuerlichen Geheimnisse der Insolvenzschuldnerin verfügen zu können, die für die Wahrnehmung seines Amtes von Belang sind (BVerwG ZRI 2021, 159 = ZVI 2021, 99, Rz. 21 unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 26. 4. 2018 – BVerwG 7 C 3.16, Rz. 24).
bb) Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Auskunftsrecht des Betroffenen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht unmittelbar gem. § 80 Abs. 1 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Kläger übergegangen ist.
Gem. § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Bei dem datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO handelt es sich jedoch um ein höchstpersönliches Recht, das untrennbar mit der Person des Schuldners verknüpft und einer von der Person des Schuldners losgelösten Verwertung nicht zugänglich ist. Damit wird es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht Teil der Insolvenzmasse (BVerwG, Urt. v. 25. 2. 2022 – BVerwG 10 C 4.20, ZRI 2022, 608, Rz. 18; ausf. BVerwG ZRI 2021, 159 = ZVI 2021, 99, Rz. 23 ff.; BVerwG, Beschl. v. 4. 7. 2019 – BVerwG 7 C 31.17, ZVI 2020, 17, Rz. 13). Dass ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch mittelbar vermögensrelevante Auswirkungen haben kann, ist unerheblich (OVG Hamburg, Urt. v. 8. 2. 2018 – 3 Bf 107/17, ZVI 2018, 280 = juris Rz. 37). Hiervon geht das Verwaltungsgericht in den Urteilsgründen zutreffend aus. Das Zulassungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es genügt bereits nicht den Darlegungsanforderungen, weil sich der Kläger insoweit weder mit der vom Verwaltungsgericht zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung noch mit der Frage der „Höchstpersönlichkeit“ des Rechts auseinandersetzt. Er behauptet lediglich, aus dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gem. § 80 Abs. 1 InsO folge die „Berechtigung zur Kenntnisnahme“ aller steuerlichen Daten, ohne auf die im angefochtenen Urteil dargelegten Erwägungen einzugehen. Soweit der Kläger meint, er könne seine Auffassung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 4. 2018 (BVerwG 7 C 3.16) stützen, verkennt er, dass sich die von ihm zitierten Ausführungen nicht auf einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO beziehen, sondern auf einen Auskunftsanspruch nach den Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen und damit auf ein sogenanntes „jedermann“-Recht (hierzu nachfolgend unter Ziffer II.1.b)).
cc) Da sich der Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO als nicht übertragbar erweist, konnte er auch nicht durch die im Zulassungsvorbringen in Bezug genommene Erklärung des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin auf den Kläger übergehen. Das Argument, es sei ein Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen Insolvenzschuldnerin und Insolvenzverwalter anzunehmen, aufgrund dessen er als vertretungsberechtigte Person auskunftsberechtigt sei, greift nicht durch. Es ist höchstrichterlich entschieden, dass der Auskunftsanspruch nicht durch Dritte ausgeübt werden kann, ohne in seinem Wesen verändert zu werden. Ausgeübt durch den Insolvenzverwalter solle der Auskunftsanspruch ausschließlich die Realisierung vermögensrechtlicher Ansprüche Dritter befördern. Auf diese Weise würde er nicht mehr der grundrechtlich verbürgten Kontrolle der zur eigenen Person verfügbaren Daten dienen, sondern der Gewinnung eines wirtschaftlich verwertbaren Wissens. Der Auskunftsanspruch verlöre daher bei einem Übergang an einen Dritten seinen vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen ideellen Charakter als Transparenzrecht und als Fundament zur Durchsetzung weiterer Betroffenenrechte (BVerwG ZRI 2021, 159 = ZVI 2021, 99, Rz. 25).
dd) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass auch der weitere Einwand des Klägers, das angefochtene Urteil leiste der „Vorenthaltung erlangbarer Informationen“ Vorschub, vor der ihn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG schütze, nicht verfängt. Denn das Bundesverfassungsgericht befasste sich in der zitierten Entscheidung mit der Frage, in welchem Umfang das allgemeine Persönlichkeitsrecht die Kenntnis der eigenen Abstammung umfasst. In diesem Kontext führte das Bundesverfassungsgericht aus, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verleihe kein Recht auf Verschaffung von Kenntnissen der eigenen Abstammung, sondern könne nur vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen schützen (BVerfG, Urt. v. 31. 1. 1989 – 1 BvL 17/87, juris ZRI 2023, 172Rz. 44). Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt betraf somit gerade nicht die Erlangung wirtschaftlich verwertbarer Erkenntnisse, wie sie der Kläger begehrt, so dass die Ausführungen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind.
ee) Das weitere Argument des Klägers, die Datenschutz-Grundverordnung schütze nicht die Rechte juristischer Personen, so dass die Insolvenzschuldnerin den in Art. 8 Abs. 1 GRCh grundrechtlich verbürgten Schutz der personenbezogenen Daten nicht beanspruchen könne, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Zwar dient die Datenschutz-Grundverordnung nur dem Schutz natürlicher Personen (Zerdick, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Aufl., 2018, Art. 1 Rz. 8; Buchner, in: Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, 3. Aufl., 2020, Art. 1 DSGVO Rz. 8). § 2a Abs. 5 AO erweitert den persönlichen Anwendungsbereich aber nach nationalem Recht auf juristische Personen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25. 2. 2022 – BVerwG 10 C 7.21, Rz. 22; Koenig, AO, 4. Aufl., 2021, § 2a Rz. 13; BMF, Anwendungsschreiben zur DSGVO v. 13. 1. 2020, BStBl I 2020, Rz. 6). Hiermit setzt sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht auseinander und erfüllt auch insoweit nicht die Darlegungsvoraussetzungen.
ff) Soweit der Kläger seinen Vortrag im Hinblick auf den von ihm behaupteten eigenen Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO in dem erst nach Ablauf der Antragsbegründungsfrist eingereichten Schriftsatz vom 8. 3. 2022 vertieft und in diesem Zusammenhang unter anderem eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage des Verlustes des ideellen Charakters bei einem Übergang des Auskunftsanspruchs auf den Insolvenzverwalter vornimmt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Zwar können die Zulassungsgründe nach Ablauf der zweimonatigen Frist noch ergänzt werden. Eine verfahrensrechtlich beachtliche Ergänzung setzt allerdings voraus, dass der konkret zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt wurde (VGH Mannheim, Beschl. v. 12. 1. 2021 – 12 S 2457/19, juris Rz. 15; BayVGH, Beschl. v. 20. 4. 2020 – 1 ZB 17.2545, juris Rz. 8). Das ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall.
b) Schließlich hat das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Kläger den geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht auf § 1 BremIFG stützen kann.
Der Kläger trägt vor, durch das angefochtene Urteil werde das Informationszugangsrecht nach dem Bremischen Informationsfreiheitsgesetz nicht mehr voraussetzungslos gewährt. Der Tatbestand von § 1 Abs. 1 Satz 1 BremIFG werde vom Verwaltungsgericht so ausgelegt, dass nicht mehr „jedermann“, sondern nur noch ein Betroffener im Sinne der DSGVO Informationszugang nach dem BremIFG erhalten könne. Damit übergehe das Gericht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. 7. 2019 (ZVI 2020, 17), in der es zu § 32e AO heiße, dass durch die Vorschrift, die keine Rechtsgrundverweisung sei, das bundes- oder landesrechtlich geregelte Informationszugangsrecht nicht leerlaufen dürfe. Es entspreche nicht der in § 32e Satz 2 und 3 AO zum Ausdruck kommenden Regelungsabsicht des Gesetzgebers, die Informationsansprüche, die in den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder eröffnet würden, im Sinne einer Obergrenze auf das Maß zu begrenzen, das sich aus der Abgabenordnung ergebe. Dies müsse auch für das Bremische Informationsfreiheitsgesetz gelten. Durch das angefochtene Urteil werde das materiell voraussetzungslose Informationszugangsrecht jedoch faktisch abgeschafft. Im Übrigen zeige sich ein Kompetenzkonflikt. § 32e AO greife bei Zugrundelegung der Auffassung des Verwaltungsgerichts in das Gesetzgebungsrecht des Landes Bremen ein, indem Tatbestand und Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 1 BremIFG verändert würden.
Dem Kläger ist zwar insoweit zuzustimmen, als § 32e Satz 1 AO nicht als Rechtsgrundverweisung auszulegen ist (BVerwG ZRI 2022, 608, Rz. 16). Dies ändert indes nichts an der Richtigkeit des von dem Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses. Als Rechtsfolgenverweisung ersetzt § 32e Satz 1 AO die Ansprüche aus den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder nicht, sondern modifiziert sie lediglich. Die Ansprüche und deren Voraussetzungen folgen weiterhin aus den jeweiligen Informationsfreiheitsgesetzen. Ein etwaiger Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BremIFG knüpft daher – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – nicht an die Betroffenenstellung i. S. d. Art. 15 Abs. 1 DSGVO an (BVerwG ZRI 2022, 608, Rz. 18).
Dennoch ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass ein Informationszugangsanspruch des Klägers nicht besteht. Dieser ist nach § 32e i. V. m. § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO ausgeschlossen: Durch den seit dem 25. 5. 2018 geltenden § 32e AO werden die in den § 32a bis § 32d AO vorgesehenen Beschränkungen des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO sowohl für die betroffene Person als auch für Dritte mittels Rechtsfolgenverweisung auf Auskunftsansprüche erstreckt, die sich aus den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes oder der Länder ergeben (vgl. hierzu BVerwG ZRI 2022, 608, Rz. 17). Über diesen Verweis findet unter anderem § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO Anwendung, nach dem das Auskunftsrecht gegenüber einer Finanzbehörde nicht besteht, soweit die Auskunftserteilung den Rechtsträger der Finanzbehörde in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der Verteidigung gegen ihn geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde (BVerwG ZRI 2022, 608, Rz. 19).
Dieser Ausschlussgrund ist vorliegend einschlägig. Er findet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Art. 23 lit. j DSGVO, der seinerseits Beschränkungen von Betroffenenrechten und von Informationspflichten im Interesse der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche von Behörden ermöglicht, eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage (BVerwG ZRI 2022, 608, Rz. 24). Finanzbehörden sollten bei zivilrechtlichen Forderungen nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere Schuldner oder Gläubiger gestellt werden (BVerwG ZRI 2022, 608, Rz. 32). Das Bestehen eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs setzt voraus, dass ein Insolvenzanfechtungsanspruch dem Grunde nach feststeht und es nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht (BVerwG ZRI 2022, 608, Rz. 21 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 13. 8. 2009 – IX ZR 58/06, ZVI 2009, 452 = WM 2009, 1942, Rz. 7 und BGH, Urt. v. 14. 2. 2019 – IX ZR 149/16, BGHZ 221, 100, Rz. 29). Vorliegend ist aber nichts dafür ersichtlich, dass ein etwaiger Insol-ZRI 2023, 173venzanfechtungsanspruch dem Grunde nach bereits feststehen würde. Vielmehr trägt der Kläger selbst vor, die begehrten Auskünfte zur Prüfung von Anfechtungsansprüchen nach §§ 129 ff. InsO verwenden zu wollen. Der Informationszugangsanspruch ist somit ausgeschlossen, da der Kläger die Informationen zum Zwecke der Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen und damit von zivilrechtlichen Ansprüchen i. S. d. § 32e i. V. m. § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO begehrt (vgl. BVerwG ZRI 2022, 608, Rz. 34).
c) Der Einwand des Klägers, dass die vom Bundesverwaltungsgericht in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 13. 8. 2009 durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 4. 2018 (BVerwG 7 C 3.16) als überholt anzusehen sei, trifft nicht zu. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof diese erneut im Jahr 2019 bestätigt (BGH, Urt. v. 14. 2. 2019 – IX ZR 149/16, Rz. 29). Die Auffassung des Klägers, wonach lediglich eine Prüfungsabsicht von Ansprüchen ausreiche, vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen.
d) Unklar bleibt, ob der Kläger sein Auskunftsbegehren überdies unmittelbar auf § 80 Abs. 1 InsO stützen will. Selbst wenn sein Vortrag so verstanden werden sollte, bliebe dieser ohne Erfolg, weil § 80 Abs. 1 InsO allein den Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts des Schuldners auf den Insolvenzverwalter regelt, aber keine eigene Anspruchsgrundlage für ein Einsichtsrecht in die finanzbehördliche Vollstreckungsakte oder die Gewährung eines Auszugs aus dem Steuerkonto der Insolvenzschuldnerin darstellt (OVG Hamburg ZVI 2018, 280 = juris Rz. 39).
e) Schließlich kann der Kläger das begehrte Auskunftsrecht auch nicht unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip herleiten (ausf. hierzu OVG Lüneburg, Beschl. v. 26. 6. 2019 – 11 LA 274/18, ZVI 2019, 317 = juris Rz. 29). Insoweit fehlt es zudem an einer Auseinandersetzung mit der im angefochtenen Urteil gegebenen Begründung.
f) Da ein Anspruch des Klägers aus § 1 Abs. 1 Satz 1 BremIFG ausgeschlossen ist, lässt sich hieraus auch keine rechtliche Sonderbeziehung zwischen ihm und der Beklagten ableiten, auf die er sich im Zusammenhang mit § 242 BGB analog stützen könnte. Im Übrigen fehlt es auch insoweit an einer Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils.
2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hat der Kläger nicht gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt.
Die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift erfordert, dass der Rechtsmittelführer näher ausführt, dass und warum die Rechtssache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfälle abweicht. Zur Darlegung dieser besonderen Schwierigkeiten hat der Rechtsmittelführer daher darzutun, hinsichtlich welcher aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung auftretenden Fragen sich besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten ergeben sollen und worin die aus seiner Sicht vorliegende besondere tatsächliche oder rechtliche Problematik im Einzelnen bestehen soll (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., 2018, § 124a Rz. 210). Daran fehlt es hier.
Der Kläger erklärt zunächst, er verweise auf seinen Vortrag zum Kompetenzkonflikt und behauptet pauschal, „der Kompetenzkonflikt [sei] eine besondere rechtliche Schwierigkeit“. Dabei erläutert er nicht einmal ansatzweise, woraus er dies herleitet, und legt insbesondere nicht dar, dass die Rechtssache in rechtlicher Hinsicht signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfälle abweichen würde.
Des Weiteren sieht der Kläger offenbar tatsächliche Schwierigkeiten darin, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit der Erklärung der Insolvenzschuldnerin befasst hat. Eine Erklärung dafür, warum sich aus dem angeblich übergangenen Vortrag tatsächliche Schwierigkeiten ergeben sollen, gibt er jedoch nicht.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts geklärt werden muss. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (OVG Bremen, Beschl. v. 22. 12. 2022 – 1 LA 359/20, juris Rz. 34; OVG Münster, Beschl. v. 29. 4. 2021 – 2 A 551/21, juris Rz. 4). Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nicht in Betracht, wenn sich die Frage so, wie sie mit dem Antrag aufgeworfen worden ist, im Rechtsmittelverfahren nicht stellt, ferner dann nicht, wenn sich die Frage nach dem Gesetzeswortlaut ohne Weiteres eindeutig beantworten lässt oder sie in der Rechtsprechung – namentlich des Bundesverwaltungsgerichts oder des beschließenden Senats – geklärt ist.
Vor diesem Hintergrund überzeugt der Ansatz des Klägers nicht, die Berufung sei bereits deshalb zuzulassen, weil das VG Gießen und das FG München in aus Sicht des Klägers vergleichbaren Rechtssachen die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hätten.
Mit den Fragen,
1. Kann durch § 32e AO ein nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BremIFG bestehender Informationszugangsanspruch ausgeschlossen sein (vgl. auch VG Gießen v. 29. 10. 2019, 4 K 252/19, juris Rz. 52)?
2. Muss der Begriff des Betroffenen bei einer juristischen Person abweichend von Art. 4 Nr. 1 DSGVO, Art. 15 DSVGO beschrieben werden?
3. Gibt Art. 15 DSGVO ein Recht auf Ausforschung eines ggf. künftigen Prozessgegners, ähnlich dem aus dem US-amerikanischen Recht bekannten pretrial-discovery-Verfahren (BeckOK ZRI 2023, 174DatenschutzR/Schmidt-Wudy, Art. 15 DSGVO Rz. 52 if. m. w. N.; AG Bonn ZIP 2020, 2010, 2011; AG Kerpen v. 22. 12. 2020 – 106 C 96/20, juris Rz. 19) oder hat Art. 15 DSGVO zumindest diese Wirkung (Bäcker, in: Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, Art. 15 DSGVO Rz. 42e; vgl. OLG Köln v. 26. 7. 2019 – 20 U 75/18, juris Rz. 315: bloß zufälliger Nebeneffekt)?,
vermag der Kläger ebenfalls keine Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu begründen. Er verfehlt bereits die Darlegungsanforderungen.
Aus welchen Gründen den Fragen grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, begründet der Kläger hinsichtlich der Fragen 1. und 3. überhaupt nicht; Frage 1. wurde außerdem während des Berufungszulassungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht beantwortet (vgl. ZRI 2022, 608).
Zur Frage 2. trägt der Kläger lediglich vor, die Datenschutz-Grundverordnung schütze nur natürliche Personen. Die Insolvenzschuldnerin als juristische Person könne den in Art. 8 Abs. 1 GRCh grundrechtlich verbürgten Schutz der personenbezogenen Daten nicht beanspruchen und sei nur durch die einfachgesetzliche Regelung in § 2a Abs. 5 AO berechtigt, die Datenschutz-Grundverordnung entsprechend anzuwenden. Abgesehen davon, dass der Kläger schon keinerlei Angaben zur Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Frage macht, setzt er sich nicht hinreichend mit § 2a Abs. 5 AO und dessen Rechtsfolgen auseinander. Mit § 2a Abs. 5 AO verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, über den unmittelbaren Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung hinaus einheitliche verfahrensrechtliche Regelungen – die regelmäßig zugleich Regelungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten darstellen – für alle vom Steuer- und Steuerverfahrensrecht Betroffenen ungeachtet ihrer Rechtsform vorzusehen (vgl. BT-Drucks. 18/12611, S. 76). Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass in den Fällen, in denen die Abgabenordnung hinsichtlich der Erstreckung auf juristische Personen gem. § 2a Abs. 5 Nr. 2 AO und der Informationszugangsansprüche gem. § 32e Satz 1 AO die entsprechende Anwendung der Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung vorsehe, die Rechtsfolge die Gleichbehandlung dieser Sachverhalte mit den Fällen sei, in denen die Datenschutz-Grundverordnung unmittelbar zur Anwendung komme. Der Gesetzgeber habe im Bewusstsein dessen, dass er die Datenschutz-Grundverordnung über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus auf rein nationale Sachverhalte erstreckte, keine Differenzierungen vorgenommen (BVerwG, Urt. v. 25. 2. 2022 – BVerwG 10 C 7.21, Rz. 22). Einen weitergehenden Klärungsbedarf zeigt der Kläger nicht auf.
4. Schließlich führt auch die Divergenzrüge nicht zur Zulassung der Berufung.
Eine die Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn der Zulassungsantragsteller einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. 8. 1997 – BVerwG 7 B 261.97, juris Rz. 3 m. w. N.). Auf eine aufgegebene Rechtsprechung kann eine Divergenz nicht gestützt werden (BVerwG, Beschl. v. 9. 3. 2021 – BVerwG 2 B 6.21, Rz. 6 m. w. N.). Eine Divergenz ist ferner nicht gegeben, wenn die Divergenzentscheidung wegen einer nach ihrem Erlass eingetretenen Gesetzesänderung nicht nur redaktioneller Natur oder einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse als überholt anzusehen ist (BeckOK VwGO/Roth, 63. Ed., Stand: 1. 7. 2022, § 124 Rz. 68). Es genügt nicht, dass das Verwaltungsgericht einen entscheidungserheblichen Rechtssatz lediglich übersieht oder auf den von ihm zu entscheidenden Fall unrichtig anwendet. Die in dem angefochtenen Urteil vertretene abweichende Rechtsauffassung darf nicht fortgedacht werden können, ohne zu einem anderen Entscheidungsergebnis zu führen (BeckOK VwGO/Roth, a. a. O., § 124 Rz. 76).
Hieran gemessen führt das Vorbringen des Klägers nicht zur Berufungszulassung wegen einer Divergenz. Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht weiche von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. 1. 1989 (1 BvL 17/87) und den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 4. 2018 (BVerwG 7 C 3.16, BVerwG 7 C 4.16, BVerwG 7 C 5.16 (ZVI 2018, 415) und BVerwG 7 C 6.16) und vom 4. 7. 2019 (ZVI 2020, 17) ab. Es fehlt aber jeweils bereits daran, dass der Kläger einen konkreten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt und den jeweils zitierten Entscheidungen der Divergenzgerichte gegenüberstellt. Allein die Behauptung, das angefochtene Urteils des Verwaltungsgerichts weiche von den zitierten Entscheidungen ab, reicht für die Darlegung der Divergenz nicht aus, da eine falsche Rechtsanwendung eine Divergenz gerade nicht zu begründen vermag.
Im Übrigen weicht das angefochtene Urteil nicht von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts – 1 BvL 17/87 – ab (vgl. Ziff. II. 1.a) dd)). Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht ginge anders als das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 4. 7. 2019 (ZVI 2020, 17) – konkludent – davon aus, bei § 32e AO handele es sich um eine Rechtsgrundverweisung, wirkt sie sich dies nicht auf das Entscheidungsergebnis aus. Wie dargelegt liegt auch bei Zugrundelegung der Annahme, dass es sich bei § 32e AO um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, der Ausschlussgrund nach § 32e i. V. m. § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO vor.
Hinsichtlich der behaupteten Abweichungen von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 4. 2018 (BVerwG 7 C 3.16, BVerwG 7 C 4.16, BVerwG 7 C 5.16, ZVI 2018, 415 und BVerwG 7 C 6.16), lässt der Kläger unberücksichtigt, dass nach Erlass der Entscheidungen Änderungen der Abgabenordnung in Kraft getreten sind, durch die Ausschlussgründe für dem Grunde nach bestehende Ansprüche auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen und der Datenschutz-Grundverordnung eingeführt wurden (vgl. BT-Drucks. 18/12611, S. 88 f.). Eine Divergenz scheidet daher auch aus diesem Grund aus.
5. Auch einen Verfahrensmangel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO legt der Kläger nicht dar.
ZRI 2023, 175
Das Verwaltungsgericht war nicht verpflichtet, einen Hinweis zu erteilen, dass es den Umstand, die bei der Beklagten in den Veranlagungs- und Vollstreckungsakten verarbeiteten Daten bezögen sich nicht auf den Kläger, für offenkundig hielt. Eine Gehörsverletzung ergibt sich hieraus nicht. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt auch in der Ausprägung, den er in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, keine Pflicht des Gerichts zur umfassenden Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (BVerwG, Beschl. v. 7. 4. 2022 – BVerwG 2 B 8.21, Rz. 25). Unzulässig wäre zwar eine sogenannte Überraschungsentscheidung. Eine solche liegt allerdings erst dann vor, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit dem oder mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (BVerwG, Beschl. v. 7. 4. 2022 – BVerwG 2 B 8.21, Rz. 24; VGH Mannheim, Beschl. v. 20. 12. 2022 – 14 S 2096/22, juris Rz. 76). Dass diese Voraussetzungen vorgelegen hätten, trägt weder der Kläger vor noch ergeben sich hierfür Anhaltspunkte aus der Gerichtsakte.
Wenn der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag hinsichtlich der Ermächtigungserklärung der Insolvenzschuldnerin übergangen, legt er nicht dar, inwieweit sich dies entscheidungserheblich ausgewirkt haben soll. Wie unter Ziffer II 1.a) cc) erläutert, scheidet eine Übertragung des Auskunftsanspruchs infolge der Ermächtigungserklärung des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin aus, so dass auch deren Berücksichtigung nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
III. … Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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