ZRI 2020, 215

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2020 Literatur

Morgen (Hrsg.), Präventive Restrukturierung – Kommentar und Handbuch zur Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen,

RWS Verlag, 2019, 702 S., 124 €, ISBN 978-3-8145-8244-3
Zum Jahresanfang lagen zur Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen u. a. (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) allein im deutschen Schrifttum schon über 30 Überblicksaufsätze vor, über 25 Beiträge untersuchten ferner einzelne Artikel und Themenblöcke, zwei Aufsätze hatten schon umfangreiche Umsetzungskonzepte vorgestellt. Diese Publikationsflut zeigt eindrucksvoll, dass die Richtlinie im Sanierungsrecht einen wichtigen Baustein bilden wird und die klärungsbedürftigen Fragen ZRI 2020, 216schon jetzt Regale füllen. Gleichwohl gibt es gegenwärtig nur einen deutschsprachigen Kommentar zur Richtlinie. Die Poleposition hat sich „der Morgen“ erarbeitet – Chapeau!
Herausgeber Christoph Morgen hat ein 23-köpfiges Autorenteam vereint, was auf den ersten Blick recht groß wirkt, sind doch nicht einmal 40 Artikel zu kommentieren. Die Komposition wird jedoch nachvollziehbarer, wenn man den Zuschnitt des Werks und die fachliche Ausrichtung des Autorenteams näher betrachtet: Nach dem Abdruck des Richtlinientextes (was hilfreich ist), schließt der eigentliche Kommentar an, für den rund 460 Seiten investiert werden. 80 Seiten werden drei Spezialthemen im Stil eines Handbuchs gewidmet, namentlich dem Restrukturierungsrahmen und der doppelnützigen Treuhand als künftigem Sanierungsinstrument, dem Sanierungssteuerrecht und der Anerkennung präventiver Restrukturierungsverfahren innerhalb Europas.
Diese 460 Seiten Kommentierung und 80 Seiten Handbuch teilen sich 22 Praktiker und ein Wissenschaftler auf; Stimmen aus der Wissenschaft sind also verhältnismäßig wenig repräsentiert, mit Reinhard Bork ist dafür aber eine wohlbekannte und geschätzte Stimme vertreten. 19 dieser 22 Praktiker sind rechtsberatend tätig, drei sind (teils zugleich) Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer. Das Werk ist also in der Hand der beratenden Zunft. Mit Daniel Blankenburg und Nicole Langer kommen noch zwei Richter hinzu (deren Aussagen mit besonderer Spannung erwartet wurden, werden doch Schlüsselnormen zur Planbestätigung, zum klassenübergreifenden Cram-down und zur Bewertung (Art. 10, 11, 14 RL) in Deutschland wohl von Richtern zu entscheiden sein).
Christoph Morgen hat sein Vorwort im Oktober 2019 verfasst, der Bearbeitungsstand der Manuskripte dürfte ein Stück davor liegen. Ein paar Schlüsselstellen des Werkes seien etwas genauer betrachtet:
Hendrik Boss und Maik Luttmann widmen sich der Aussetzung nach Art. 6 RL, die wegen ihrer erheblichen Folgen für vertragliche Rechte der Gläubiger weit über das Vollstreckungsrecht hinaus relevant werden wird. 85 Randnummern allein zu Art. 6 RL versprechen eine vertiefte Analyse. Beide Autoren landen allerdings schon nach fünf Randnummern wieder im deutschen Recht, was kein Einzelfall ist, sondern schon ab Randnummer 19 so fortgesetzt wird. Hier wäre es wünschenswert gewesen, tiefer in die europäische Norm einzusteigen, denn an InsO-Kommentierungen mangelt es nicht. Auch sonst werden einige Themen „gedoppelt“. So wird etwa der persönliche Anwendungsbereich des Restrukturierungsrahmens untersucht (Rn. 10 ff.), obwohl dies schon bei Art. 1 RL kommentiert wird (und dort auch hingehört). Ferner wird eine Auslegung der „wahrscheinlichen Insolvenz“ vorgenommen, obwohl dies weniger die Aufgabe einer Kommentierung von Art. 6 denn von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL ist. In der Kommentierung zu Art. 2 RL hingegen wird eine Tabelle abgedruckt, die auf diejenigen Stellen im Kommentar verweist, die diese Themen behandeln. Just zur „wahrscheinlichen Insolvenz“ wird aber nicht auf Art. 6 verwiesen, obwohl Boss/Luttmann hierzu Ausführungen machen. Sehr interessant sind hingegen die Überlegungen dazu, dass die Aussetzung nur Vollstreckungs- nicht aber Erkenntnisverfahren ruhen lasse (Rn. 17).
Jörn Kowalewski und Jan-Philipp Praß bearbeiten eine weitere Schlüsselstelle der Richtlinie, nämlich den klassenübergreifenden Cram-down nach Art. 11 RL. Wissenschaftlich wertvoll, insbesondere weil auch Schrifttum von Autoren aus anderen Mitgliedstaaten berücksichtigt wird, sind die auf 19 Randnummern dargelegten Überlegungen zur relativen und absoluten Vorrangregel. Beide Autoren glänzen hier in puncto Aktualität, da ihnen hierzu weder das SSRN-Paper von De Weijs/Jonkers/Malakotipour noch der Blogbeitrag von Moritz Brinkmann entgangen sind und sie eine Vielzahl von Argumenten, die weitere Autoren wie Bob Wessels und Stephan Madaus vorgetragen haben, abwägen und sich zu einer eigenen, länger begründeten Stellungnahme durchringen (und die relative Vorrangregel befürworten).
Im Handbuchteil des Werks haben sich Paul Abel und Christoph Herbst auf 134 Randnummern Gedanken zur Anerkennung von Entscheidungen im präventiven Restrukturierungsrahmen in Europa gemacht. Dieses Kapitel ist Gold wert, da sich diesbezüglich nur dann keine Probleme stellen, wenn der Restrukturierungsrahmen ausschließlich deutsche Sachverhalte betrifft (was allenfalls im kleinen KMU-Bereich denkbar ist). Abel/Herbst haben aber kaum etwas zur Brüssel Ia-VO ausgeführt, die nicht nur für die Anerkennungsfragen, sondern auch für die internationale Zuständigkeit für die Restrukturierungsrahmen relevant werden wird. Hierzu lagen schon einige Schriften vor, so dass die Einschätzung der geschätzten Experten von anchor mit Spannung erwartet wurde (vgl. daher Skauradszun, ZIP 2019, 1501; KPB/Skauradszun, InsO, Stand: 6/2019, Art. 32 EuInsVO 2015 Rz. 10 ff.; Skauradszun/Nijnens, ICR 2019, 193, Skauradszun/Nijnens, eurofenix 2019/III, 19).
Im „Morgen“ stecken unzählige lesenswerte Passagen und kreative Lösungsvorschläge für das moderne und zukunftsträchtige Rechtsgebiet der Restrukturierung. Viele EU-Nachbarn staunen über den deutschen Publikationsoutput und die Geschwindigkeit, mit der hier Werke vorgelegt werden. Zu Recht – diese 700 Seiten muss erst einer mal nachmachen.
Prof. Dr. Dominik Skauradszun, LL.M., Fulda/Stuttgart

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