RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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2699-0490
Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz
ZRI
2025
Literatur
Bornemann, Alexander (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung
Bd. 1 (§§ 1-269i InsO), 10. Aufl., 2025, 3.138 S., 189 €, ISBN: 978-3-472-09808-9;
Bd. 2 (§§ 270-359 InsO, EuInsVO, EGInsO, InsVV, ArbnErfG, BetrAVG), 10. Aufl., 2023, 1.800 S., 159 €, ISBN: 978-3-472-09623-8
Herausgeber haben es schwer. Alexander Bornemann, der die Nachfolge von Klaus Wimmer als Leiter des Referats Insolvenz- und Restrukturierungsrecht im Bundesjustizministerium und zugleich als Herausgeber des Frankfurter Kommentars zur Insolvenzordnung angetreten hat, hat das bei der vorliegenden 10. Auflage dieses Werkes gleich leidvoll erfahren müssen. In etwas irritierender Reihenfolge ist zunächst Ende 2022 der 2. Band des Kommentars erschienen, der die §§ 270-359 InsO, das Internationale Insolvenzrecht, das Vergütungsrecht sowie einige weitere Nebengesetze umfasst. Der 1. Band, in dem die §§ 1-269i InsO kommentiert sind, wurde damals vom Verlag für Anfang des Jahres 2023 angekündigt, hätte also zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon in der Produktion sein müssen, erschien dann aber erst zwei Jahre später, im Dezember 2024. Man kann sich vorstellen, welche Mühen Herausgeber und Verlag auf sich nehmen mussten, um notwendige Autorenwechsel zu organisieren, Säumige anzutreiben, jene, die pünktlich abgeliefert hatten, zu einem Update zu bewegen und – nicht zuletzt – die Leserschaft bei Laune zu halten, die dringend auf den 1. Band gewartet hat.
Allein, das Warten hat sich gelohnt! Der in der Vorauflage 2018 erschienene, bisher einbändige, nunmehr zweibändige Kommentar weist gegenüber der Vorauflage (4.168 Seiten) einen Gesamtumfang von 4.835 Seiten auf, hat also um 16 % zugelegt. ZRI 2025, 164Das ist ein Indiz dafür, wie viele neue Quellen aus Rechtsprechung und Literatur nach sechs Jahren zu verarbeiten waren. Ein Team von 27 Autorinnen und Autoren erläutert die Insolvenzordnung auf insgesamt hohem Niveau. Bei zentralen Teilen des Gesetzes sind Bearbeiterwechsel zu verzeichnen. So kommentiert jetzt beispielsweise die §§ 80-93 InsO Nadja Raiß anstelle von Angelika Wimmer-Amend. Die Zuständigkeit für die §§ 103 ff. InsO ist von dem viel zu früh verstorbenen Burghard Wegener auf mehrere Personen übergegangen, namentlich auf Daniel Wozniak, Alexander Bornemann und Martin Ahrens. Das Insolvenzanfechtungsrecht liegt in der Nachfolge von Jörg Dauernheim in den Händen von Martin Jungclaus und Christoph Keller und die Vorschriften über die Eigenverwaltung hat Thomas Oberle von Richard Foltis übernommen. Insgesamt ist das von Bornemann sorgsam zusammengestellte Team bestens aufgestellt.
Inhaltlich präsentiert sich der Kommentar als hervorragendes Handwerkszeug. Der Anspruch, ein „nützliches Hilfsmittel für die Insolvenzpraxis“ zu sein (so der Herausgeber in dem übrigens sehr lesenswerten, die Entwicklung des Insolvenzrechts der letzten Jahre einfühlsam nachzeichnenden Vorwort zum 1. Band), wird durchweg erfüllt. Ein paar Lesefrüchte mögen das illustrieren.
Martin Jungclaus und Christoph Keller, die schon in der Vergangenheit wiederholt als bewährtes Autorenteam mit weiterführenden Beiträgen zum Insolvenz(anfechtungs)recht aufgefallen sind, haben die nicht leichte Aufgabe übernommen, die §§ 129-147 InsO zu erläutern. Herausgekommen ist nicht bloß ein Update der zuvor von Jörg Dauernheim verantworteten Texte, sondern eine veritable Neukommentierung. Auf besonderes Interesse stößt dabei angesichts der „Neuausrichtung“ der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum subjektiven Tatbestand durch die Entscheidung vom 6. 5. 2021 (BGHZ 230, 28 = ZRI 2021, 645 m. Bespr. Thole, S. 609 sowie Proske/Feuerhelm, S. 929) die Erläuterung des § 133 InsO. Hier stellen die Autoren zunächst die Rechtslage auf der Grundlage der neuen BGH-Rechtsprechung zuverlässig dar, gehen dann aber bei Rz. 31 ff. (wenn auch mit falschem Entscheidungsdatum in der Überschrift) mit dieser Rechtsprechung ins Gericht, die sie nicht etwa als zu weit gehend, sondern als nicht weit genug gehend kritisieren. Bei der Kommentierung werden auch offene Rechtsfragen mitsamt hilfreichen Lösungsvorschlägen angesprochen. Manche hat der IX. Senat mittlerweile beantwortet, etwa die bei Rz. 27 aufgeworfene nach dem Unterschied zwischen einem Bargeschäft und einer „bargeschäftsähnlichen Lage“ (Urt. v. 17. 10. 2024, ZRI 2024, 1061, Rz. 22 ff.). Bei anderen Punkten hat er zusätzliches Material geliefert, etwa zum bei Rz. 23 nur kurz erwähnten Indiz der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung durch die in der Kommentierung noch nicht berücksichtigte Entscheidung vom 22. 2. 2024 (ZRI 2024, 325, Rz. 20 ff.).
Bei der Erläuterung der §§ 270 ff. InsO stand Thomas Oberle vor der Herausforderung, die (erneute) grundlegende Revision des Eigenverwaltungsverfahrens durch das SanInsFoG einzuarbeiten. Dementsprechend wurde die Kommentierung des § 270 InsO erheblich gekürzt, während die §§ 270a-270g InsO zu Recht besondere Aufmerksamkeit erfahren haben. Dass dabei etliche praxisrelevante Detailprobleme behandelt werden, spiegelt sich in der Rechtsprechung wider. Pars pro toto: Der bei § 270d Rz. 26 vertretenen (der h. M. entsprechenden) Auffassung, dass die durch § 270d Abs. 4 Satz 2 InsO vorgeschriebene Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach fruchtlosem Ablauf der Planvorlagefrist nicht sofort ergehen müsse, sondern auf die Umstände des konkreten Falles (insbesondere auf den Lauf des Insolvenzgeldzeitraums) Rücksicht nehmen könne, hat sich das AG Neumünster in einer Entscheidung vom 10. 3. 2023 (NZI 2024, 223) angeschlossen.
Zunehmende Bedeutung gewinnt das Internationale Insolvenzrecht, das im Frankfurter Kommentar nunmehr von Michael Schuster allein bearbeitet wird, der diese Passagen in der Vorauflage noch zusammen mit Christian Wenner verfasst hatte. Ein „Dauerbrenner“ ist dabei die grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung, insbesondere im Hinblick auf § 135 InsO, dessen Durchsetzung im Ausland oft an Art. 16 EuInsVO scheitert. Auf diese Frage, die der BGH jetzt durch Beschluss vom 16. 1. 2025 – IX ZR 229/23, ZRI 2025, 121 (in diesem Heft) – dem EuGH vorgelegt hat, geht die Kommentierung nur versteckt bei Art. 7 Rz. 31 und nur unter dem Gesichtspunkt der Kapitalerhaltung ein, was dem Stand der Diskussion nicht ganz gerecht wird. Wenigstens die (freilich angreifbare) Entscheidung des OLG Naumburg (ZIP 2011, 677) hätte man in diesem Zusammenhang doch erwartet. Äußerst hilfreich ist hingegen die Übersicht über die anfechtungsrechtlichen Ausschluss- und Verjährungsfristen in der EU bei Art. 16 Rz. 12.
Insgesamt kann sich die insolvenzrechtliche Community über eine ausgezeichnete Neuauflage eines bewährten Praxiskommentars freuen, zu der man Herausgeber, Autorinnen und Autoren und Verlag nur gratulieren kann. Der Frankfurter Kommentar wird in dieser Verfassung die Fachdiskussion weiterhin anregen und bereichern.
Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg