ZRI 2023, 1026

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2023 Literatur

Gerhardt, Walter/Eckardt, Diederich/Windel, Peter A. (Hrsg.), Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, Bd. 2 (§§ 35-55),

2. Aufl., 2023, XXVII und 753 S., 189,95 €, ISBN: 978-3-11-066111-8
Im Jahre 2004 begann die 1. Auflage des Jaeger mit einem voluminösen und Maßstäbe setzenden ersten Band. Er umfasste die §§ 1-55 und war von sechs Autoren bearbeitet, von denen drei – Walter Gerhardt, Wolfram Henckel und Eberhard Schilken – in der Neuauflage altersbedingt nicht mehr aktiv sind. Herausgeber und Verlag haben sich jetzt für die 2. Auflage mit guten Gründen entschieden, den Band zu teilen. In dem kürzlich erschienenen Band 2 sind die §§ 35-55 versammelt, die (mit einer kleinen Ausnahme bei § 35) zuvor allein von Wolfram Henckel kommentiert worden waren. Henckel hat diesen Kommentar wie kein anderer geprägt, hat gerade im früheren ersten Band bewundernswerte Grundlagenarbeit geleistet und damit das Niveau für das gesamte Werk vorgegeben. Sein nahezu enzyklopädisches insolvenzrechtliches ZRI 2023, 1027Wissen und seine analytische Durchdringung der Materie bis in die letzte Verästelung haben die Bezeichnung als wissenschaftlicher Grundlagenkommentar erst wirklich gerechtfertigt und stellten die Messlatte dar für jeden, der für sich in Anspruch nahm, sich über das Tagesgeschäft hinaus tiefgründig mit dem Insolvenzrecht zu beschäftigen. Seine Nachfolger im Jaeger – Florian Eichel, Jan Felix Hoffmann, Hans-Friedrich Müller und Falk Mylich – hatten also keine leichte Aufgabe, sind aber mit ihren Kommentierungen den Ansprüchen und Erwartungen an diesen Kommentar in jeder Hinsicht gerecht geworden.
Stöbert man ein wenig in dem neuen Band 2, so kann man sich schnell festlesen und durchaus Querverbindungen ausmachen. Widmet man sich beispielsweise der Frage, ob künftige Forderungen der Aktiv- bzw. Passivmasse des Schuldners zuzuordnen sind, so findet man in der Kommentierung von Müller zu § 35 (Rz. 93) für die Aktivmasse immerhin den Satz, die Zuordnung hänge davon ab, ob der Insolvenzschuldner das Forderungsrecht ohne weiteres Zutun des Forderungsschuldners erwerben konnte. Das wird zwar nur unter dem Stichwort „aufschiebend bedingt begründete Forderungsrechte“ behandelt und nicht näher mit Beispielen (etwa aus dem Mietrecht) illustriert, trifft aber den Kern. Wesentlich ausführlicher verhält sich dazu die Bearbeitung des § 38 von Eichel, der sich – aufbauend auf seiner Habilitationsschrift (Künftige Forderungen, 2014) – bei Rz. 91 ff. für die Passivmasse intensiv mit der Frage befasst, ob der Gläubiger einer bei Verfahrenseröffnung noch künftigen Forderung Insolvenz-, Masse- oder Neugläubiger ist. Hier wird überzeugend an § 80 angeknüpft und die These ausgearbeitet, es komme darauf an, ob der schuldbegründende Akt des Insolvenzschuldners bereits vor Verfahrenseröffnung stattgefunden habe, was dann umgekehrt bedeutet, dass dieser an die Schuldbegründung gebunden ist und den endgültigen Forderungserwerb durch den Gläubiger nicht mehr verhindern kann.
Das ebenso bedeutsame wie schwierige Kapitel der Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO ist von Mylich einer grundlegenden Neubearbeitung zugeführt worden. Mit 64 Seiten ist der Umfang gegenüber der Vorauflage, die noch aus der Zeit vor dem MoMiG stammte und sich mit dem alten Eigenkapitalersatzrecht befasste, fast verdoppelt worden, was nicht nur der Praxisrelevanz dieses Themengebietes, sondern auch seinen dogmatischen Herausforderungen entspricht. Mylich ist es zunächst gelungen, diese schwierige Materie durch eine ebenso kleinteilige wie strukturgebende Gliederung so aufzubereiten, dass der Leser einfühlsam durch dieses komplexe Themenfeld geführt wird. Grundlegende Ausführungen zur Historie (Rz. 78 ff.) und zum Normzweck (Rz. 87 ff.) bereichern die Palette der durchaus schon umfangreichen Literatur. Sorgfältig werden zudem die verschiedenen Fallgruppen der subordinierten Forderungen (Rz. 95 ff.) und der betroffenen Darlehensgeber (Rz. 172 ff.) aufgeschlüsselt und voneinander abgegrenzt. Die vom Bearbeiter bei Rz. 189 offen gelassene Frage, unter welchen Voraussetzungen das Kleinbeteiligungsprivileg aus § 39 Abs. 5 InsO an einer koordinierten Kreditvergabe durch mehrere Kleinbeteiligte scheitert, die zusammengerechnet über der 10 %-Schwelle liegen, hat der BGH inzwischen entschieden (BGH ZRI 2023, 292 und BGH ZRI 2023, 483).
Hoffmann hat sich in seiner Kommentierung des § 45 mit der auch für die Praxis wichtigen Frage befasst, ab wann ein ursprünglich nicht auf eine Geldleistung gerichteter Anspruch in eine Geldforderung umgewandelt ist (Rz. 19 ff.). Seine zusammenfassende These, dass sei erst dann der Fall, „wenn sie im Verfahren berücksichtigt werden durfte, weil sie weder“ [gemeint wohl: entweder] „vom Insolvenzverwalter oder einem Gläubiger bestritten noch“ [gemeint wohl: oder] „rechtskräftig festgestellt ist“ (Rz. 21 a. E.), entspricht der h. M. und hat mittlerweile auch die bei Rz. 20 Fußn. 81 zitierte, im Text aber nicht weiter analysierte Zustimmung des BGH gefunden (BGH ZRI 2022, 649; ferner BGH ZRI 2023, 448; BGH ZRI 2023, 413).
Insgesamt steht auch dieser Band nach Tiefgang und analytischer Qualität in der Tradition der Vorauflage und der bisher erschienenen Bände der 2. Auflage. Wissenschaft und Praxis dürfen sich glücklich schätzen, auf einem solchen Niveau bedient zu werden.
Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg

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