RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
2699-0490
Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz
ZRI
2025
Literatur
Schmidt, Andreas (Hrsg.), Hamburger Kommentar zum Restrukturierungsrecht,
4. Aufl., 2025, 1.256 S., 199 €, ISBN 978-3-452-30359-2
Die nunmehr vorliegende vierte Auflage dieses Werkes ist im Dezember 2024 erschienen und trägt – marktüblich – bereits das Erscheinungsjahr 2025. Im Grunde handelt es sich erst um die zweite Auflage des Werkes, welches in den ersten beiden Auflagen unter dem Titel „Sanierungsrecht“ – indes mit anderen Inhalten – erschien, was bereits bei der Besprechung der dritten – im Grunde also eigentlich ersten – Auflage an anderer Stelle als merkwürdige „Titelhuberei“ kritisiert worden ist (NZI ZRI 2025, 1002022, 518). Auch ein „Hamburger Bezug“ ist bei dem Werk nicht auszumachen, da die Mehrheit der Autoren (unter denen kein einziger gerichtlicher Rechtsanwender ist!) tätigkeitsmäßig hier nicht zu verorten ist und im StaRUG-Bereich „Hamburger“ Entscheidungen zwar zitiert, aber kaum federführend zu nennen sind.
Das hiesige Werk ist eine im Markt selten anzutreffende Kombination von Kommentar und Handbuch. Im ersten Teil, der ca. die Hälfte des Werkes ausmacht, erfolgt eine Kommentierung des „StaRUG“, im zweiten Teil erfolgt unter verschiedenen Einzelaspekten eine Darstellung der „außergerichtlichen Sanierung“ (Krisen-Compliance, IDW S6-Anforderungen, Krisenbewältigungsmaßnahmen, Investorenlösungen und Exit-Strategien) und im dritten Teil werden Einzelbereichsprobleme der „Sanierung“ erörtert (Arbeitsrecht, Steuerrecht und Recht der Anleihen).
Das Werk hat umfangsmäßig im Vergleich zur Vorauflage um ca. 100 Seiten zugelegt, kostet nun 10 € mehr und befindet sich laut Vorwort auf dem Bearbeitungsstand des Mai 2024, was bei stichprobenhafter Überprüfung nicht regelhaft bestätigt werden kann; zutreffend dürfte eher Ende 2023 sein. Die StaRUG-Kommentierung ist indes zitatenbasiert weitgehend auf hohem Dichtestand, berücksichtigt aktuelle Rechtsprechung und Literatur, insbesondere Aufsätze, und nennt auch sehr breit gefächert Kommentarstellen aus Konkurrenzwerken. Die damals 2022 zur dritten Auflage naturgemäß noch fehlende Rechtsprechung ist – soweit zwischenzeitlich ergangen – nunmehr eingearbeitet. Die „Schlüsselnormen“ des StaRUG, z. B. die Restrukturierungsanzeige (§ 31) oder der Erörterungs- und Abstimmungstermin nebst Vorprüfungsverfahren (§§ 45 ff.) sind durch Schröder bzw. Montag sehr ausführlich mit viel Verständnis für die praktischen Umsetzungsfragen erörtert. Besonders nutzerfreundlich ist der Abdruck der jeweils korrespondierenden Normen des Planverfahrens der InsO, wo sinnvoll. Von hohem konzeptionellen Praxisverständnis getragen ist auch z. B. die Einfügung eines Anhangs zu § 33 StaRUG, der den (möglichen) Übergang ins Insolvenzverfahren durch Morgen eigens behandelt. Der aus gläubiger- und gerichtlicher Sicht äußerst interessante Bereich der Vorschriften zum Restrukturierungsbeauftragten (§§ 73 – 79) wird von Hölzle weiterhin trotz zwischenzeitlich nach der „dritten“ Auflage deutlich angewachsener Sekundärliteratur zügig bis schlank abgehandelt, die Fußnotenverweise bleiben in ihrer Dichte hinter denen der meisten anderen Autoren zurück. Stichworte im Stichwortverzeichnis wie „Schutzschrift“ oder „Vergleichsrechnung“ finden sich weder zur Verfahrenseinleitung noch zur Planbestätigung. Letztere dies betreffende Vorschriften (§§ 63, 64) sind in der Kommentierung ebenfalls schlank gehalten, Schlechterstellungsfragen erörtert lediglich Montag bei § 45 etwas ausführlicher. Eine Schwerpunktsetzung aus Gläubigersicht kann man dem Werk also kaum nachsagen. Zu vermissen ist auch, wie gesagt, eine Kommentierungsbeteiligung aus gerichtlicher Warte, das Werk folgt offenbar konzeptionell dem (zumindest anfangs) verbreiteten Irrglauben, das StaRUG-Verfahren sei ein gerichtsfernes Verfahren. Hervorzuheben ist die sehr problemorientierte und bereits mit Rechtsprechungszitaten „gewürzte“ Darstellung der irren Vergütungsregelungen des StaRUG (§§ 81 – 83) durch Wolgast, die ob ihrer Widersprüchlichkeit und Praxisferne regelmäßig Gerichte wie auch Schuldnerberater zur Verzweiflung treiben (dazu J. Schmidt/Breuer, NZI 2023, 428; Kümpel, ZRI 2023, 627; Kümpel, ZRI 2024, 745) und deren Deckelungssätze die Tätigkeit von Restrukturierungsbeauftragten und ihrer Mitarbeiter schlicht degradieren.
Ab S. 690 ist Schluss mit der StaRUG-Kommentierung. Der nachfolgende zweite Teil lässt von der Themenauswahl her den Betrachter etwas ratlos zurück. Für ein Sanierungshandbuch ist das zu wenig, für einen „Anhang“ zu viel. Die tolle Darstellung der „Krisen-Compliance“ durch Tresselt/Lochmann, versehen mit der aktuellen Rechtsprechung des II. Zivilsenats zu den Geschäftsleiter-Pflichten, ist auf hohem Niveau. Es steht aber zu befürchten, sie wird von der eigentlichen Zielgruppe kaum zur Kenntnis genommen, denn ein „Kommentar zum Restrukturierungsrecht“ lässt eigentlich ein Unternehmenssanierungshandbuch, bzw. entsprechende Inhalte, nicht erwarten. Und weshalb wird der IDW S6-Sanierungskonzeptstandard dargestellt und erläutert, aber nicht der Planerstellungsstandard IDW S2 (zu beiden Harder/Harig, ZRI 2023, 340)? Zitatmäßig enthalten die Buchteile zwei und drei äußerst starke und dichte Ausführungen, im Grunde inhaltlich stärker als die StaRUG-Kommentierung. Es finden sich auch recht viele „Praxistipps“, indes keine Schaubilder. Vielleicht hätten die Ausführungen stärker mit der StaRUG-Kommentierung verlinkt und verknüpft werden können: Zum Beispiel wird verdienstvoll die geheimnisvolle und im Zusammenhang mit der StaRUG-Vergleichsrechnung und der Nichtbeantragungsnotwendigkeit einer Stabilisierungsanordnung immer wieder in der Praxis erwähnte „Lock-up-Vereinbarung“ erläutert (Teil II. Kap. 4 Rz. 419 (Sax/Amer)), diese aber eben nicht in den Regelungskreis des StaRUG verortet.
Fazit: Viel Wissen fürs Geld, im Grunde zwei völlig verschiedene Buchkonzepte in einem. Vielleicht wird das Werk gerade deswegen von ganz verschiedenen Zielgruppen erworben und genutzt werden. Die einen werden‘s mögen, die anderen sich högen.
Richter am AG (Insolvenz- und Restrukturierungsgericht) Frank Frind, Hamburg