ZRI 2023, 86

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2023 Report 

VID: Berufsrecht für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren

In der Fachöffentlichkeit wird derzeit abermals die Frage einer bundeseinheitlichen Vorauswahlliste und eines strukturierten Berufsrechts für Insolvenzverwalter und Restrukturierungsbeauftragte diskutiert. Die Aktualität der Diskussion ergibt sich aus dem Beschluss der Justizministerkonferenz vom 11. 11. 2021 und durch die Ankündigung des BMJ, sich einer gesetzlichen Umsetzung zeitnah anzunehmen. Fragen der Ausgestaltung einer teilrechtsfähigen beruflichen Selbstverwaltung der vorgenannten Amtsträger wurden in dem Beitrag von Kluth (ZRI 2022, 993) erörtert. Nachdem der vorgenannte Beitrag eine „Verkammerung“ unter dem Dach der BRAK zwar als rechtlich möglich, praktisch aber unzweckmäßig beurteilt hatte, schlägt der VID in der folgenden Stellungnahme vom 21. 12. 2022 für die vorgenannten Amtsträger eine eigenständige und sich selbst verwaltende Kammer vor, wobei auch auf die Abgrenzung zwischen einer selbstverwaltenden Organisationsform und einer rein staatlichen Aufsicht, z. B. über das Bundesamt der Justiz, eingegangen wird.

Grundüberlegung

Unser Vorschlag basiert auf dem Modell einer eigenständigen und bundesweit zuständigen Kammer aller derzeit in Deutschland tätigen Insolvenzverwalter:innen, Sachwalter:innen, Treuhänder:innen, Restrukturierungsbeauftragten und Sanierungsmoderator:innen (Kammer der Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren). Diese Kammer stünde unter der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums der Justiz und würde über die Zulassung und den Entzug der Zulassung entscheiden. Mithin würde die Kammer der Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren auch die bundeseinheitliche Liste führen, welche für die gesamte deutsche Richter- und Rechtspflegerschaft jederzeit zur Einsicht bereitstünde.

Insolvenzverwalter als eigenständiger Beruf

Die Tätigkeit von Insolvenzverwalter:innen darf spätestens seit dem Jahr 2004 (BVerfG-Entscheidung 1 BvR 135/00) nicht mehr bloß als Nebentätigkeit in der Berufsausübung von Rechtsanwälten oder Kaufleuten angesehen werden, „vielmehr ist die Betätigung als Insolvenzverwalter zu einem eigenständigen Beruf geworden …“. Diese Feststellung bestätigte das Bundesverfassungsgericht zuletzt in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 (1 BvR 3102/13, ZVI 2016, 104): „bei der Tätigkeit als Insolvenzverwalter …. handelt es sich um einen eigenständigen Beruf.“ Zutreffend heißt es in dieser Entscheidung weiter:
„Der Schutz der Berufsfreiheit ist nicht auf traditionell oder gesetzlich fixierte Berufsbilder beschränkt, sondern erfasst auch Berufe, die aufgrund der fortschreitenden technischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklung neu entstanden sind. Insbesondere für die Anbieter rechts- und wirtschaftsberatender Dienstleistungen ist seit Jahrzehnten eine solche Entwicklung festzustellen, die inzwischen zum Entstehen eines eigenständigen Insolvenzverwalterberufs führt. Die Tätigkeit von Insolvenzverwaltern lässt sich nicht mehr als bloße Nebentätigkeit der Berufsausübung, insbesondere von Rechtsanwälten, Steuerberatern, Betriebswirten und Wirtschaftsprüfern verstehen, sondern wird in immer größerem Umfang von spezialisierten Berufsträgern ausgeübt.“
Die vom Bundesverfassungsgericht beschriebene Entwicklung setzt sich fort: Europäische Vorgaben, die Einführung des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen und weitere steuerliche und rechtliche Vorgaben führen zu einer zunehmenden Ausdifferenzierung des Berufs der Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren. Dies sieht auch der Gesetzgeber so und setzt es z. B. insoweit um, als in der Vorabfassung des Referentenentwurfs zum Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG) in den Erläuterungen zu § 23 Abs. 2 der Insolvenzverwalter ausdrücklich neben den „klassischen“ Berufen des Rechtsanwalts, Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers genannt wird.

Selbstverwaltung vs. staatlicher Aufsicht

„Die Bundesregierung hält das Kammerwesen sowie das System der funktionalen Selbstverwaltung für zeitgemäß und sachgerecht. Die funktionale Selbstverwaltung der Kammern mit gesetzlicher Pflichtmitgliedschaft hat sich in Deutschland in langer Tradition bewährt.“ (Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage zur Zukunft der Pflichtmitgliedschaft im deutschen Kammerwesen, BT-Drucks. 20/2735 v. 7. 7. 2022).
Nach den im Jahr 2018 veröffentlichten IAIR Principles, s. dort Seite 8, sollte eine staatliche Aufsicht nur dann in Betracht kommen, wenn staatliche und berufsständische Organe zu schwach ausgeprägt sind, um technische Regulierungsstandards zu formulieren und in einer Weise fortzuentwickeln, dass sie einerseits hinreichend flexibel, andererseits aber auch nicht inhaltsleer ausgeprägt sind.
Im konkreten Einzelfall, d. h. im Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren, üben das Gericht, der Gläubigerausschuss und die Gläubigerversammlung in bewährter Weise die Aufsicht über den/die Amtsträger:in aus. Bei der Kontrolle im Einzelfall hat dieses System nahezu uneingeschränkt seine Leistungsfähigkeit bewiesen. Zudem haben gerade die Mitglieder des VID in den letzten Jahren Regulierungsstandards zur Ergänzung der Vorga-ZRI 2023, 87ben der Insolvenzordnung entwickelt, die sich in vielen Bereichen nicht nur bewährt, sondern auch zur Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Gerichten und Amtsträger:innen entwickelt haben. Zu nennen sind hier etwa
  • der Standardkontenrahmen SKR04 für die Rechnungslegung und Schlussrechnung,
  • der Fragebogen zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters bei Annahme des gerichtlichen Auftrags,
  • die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung, GOI, und
  • die Mitentwicklung des gerichtlichen ForStaB zur kontinuierlichen Berichterstattung.
Der aufwendige Prozess einer Zertifizierung, dem sich die Mitglieder des VID seit vielen Jahren freiwillig unterwerfen, dokumentiert mit vielen zertifizierten Insolvenzverwalter:innen auch außerhalb unseres Mitgliederkreises die Bereitschaft des Berufsstandes, die eigene Tätigkeit durch klare Regeln zu steuern. Laufende Anpassungen der GOI haben deutlich gemacht, dass gerade durch die Nähe zur Praxis schnelle Reaktionen auf aktuelle Entwicklungen möglich sind, wie etwa bei der Rechtsprechung des BGH zu den Insolvenz-Sonderkonten.
Die Kammer für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren ersetzt demnach nicht staatliche Aufsicht, sondern ergänzt sie dort, wo die funktionale Zuständigkeit der mit der Bearbeitung des Einzelverfahrens betrauten Richter- und Rechtspflegerschaft endet. Eine Kammer schafft damit vor allem auch die Möglichkeit, über Gerichtsbezirke und Grenzen der Bundesländer hinaus ein einheitliches System zu schaffen und auf Dauer zu erhalten.
 
 
Zudem steht die Kammer für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren, wie alle anderen Kammern auch, unter der Rechtsaufsicht eines Ministeriums, hier des Bundesministeriums der Justiz. Der rechtliche Rahmen für die Zulassung, den Entzug der Zulassung und der zu führenden Vorauswahllisten wird durch den Gesetzgeber geschaffen und fortentwickelt.
Die Kammer der Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren schafft sich damit nicht ihr eigenes Recht, sondern füllt den vorgegebenen und unter staatlicher Aufsicht stehenden Regelungsrahmen selbstverwaltend aus. Dies erfordert allerdings auch, dass die aufsichtsführenden Gerichte etwaige schwerwiegende Verstöße, ähnlich der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi), der Kammer mitteilen, damit diese entsprechende Maßnahmen ergreifen kann, bis hin zum Entzug der Zulassung. Durch diese Mitteilungspflicht der Gerichte werden die Systeme der Aufsicht im Einzelfall und der selbstverwaltenden Organisation des Berufs wirksam miteinander verknüpft und erreichen damit die erforderliche Akzeptanz bei den Verfahrensbeteiligten und vor allem auch der Insolvenz- und Restrukturierungsgerichte.

Verfassungsrechtliche Vorgaben

Mit dem gegenwärtigen Regelungszustand der Vorauswahl und insbesondere der mangelnden Bestimmtheit des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO verbinden sich grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. Gaier, AnwBl 2022, 356 f.). Diese verfassungsrechtlichen Bedenken stellen den Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG in den Mittelpunkt. Die Herstellung der notwendigen Bestimmtheit für den Begriff der „Eignung“ kann jedoch nicht nur die Einzelakte der Zulassung und Bestellung erfassen. „Eignung“ ist vielmehr auch als andauernde Voraussetzung für die Amtsträgerschaft gesetzlich näher zu definieren. Dazu müssen Regeln für die Berufsausübung definiert werden, deren Missachtung oder Beachtung im Einzelfall auch eine Indikation für den Fortbestand der Eignung darstellen kann.
Die Formulierung solcher Regeln sollte einer funktionalen Selbstverwaltung übertragen werden. Das BVerfG (2 BvL 5/98, Rz. 168) formuliert dazu:
„Das demokratische Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG erlaubt deshalb, durch Gesetz – also durch einen Akt des vom Volk gewählten und daher klassisch demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgebers – für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen. Dadurch darf zum einen ein wirksames Mitspracherecht der Betroffenen geschaffen und verwaltungsexterner Sachverstand aktiviert werden. Mit der Übertragung der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in Formen der Selbstverwaltung darf der Gesetzgeber zum anderen das Ziel verfolgen, einen sachgerechten Interessenausgleich zu erleichtern, und so dazu beitragen, dass die von ihm beschlossenen Zwecke und Ziele effektiver erreicht werden (vgl. BVerfGE 37, 1, 26 f.; vgl. auch Unruh, VerwArch. 92 (2001), S. 531, 536 f., 554). Gelingt es, die eigenverantwortliche Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe mit privater Interessenwahrung zu verbinden, so steigert dies die Wirksamkeit des parlamentarischen Gesetzes. Denn die an der Selbstverwaltung beteiligten Bürger nehmen die öffentliche Aufgabe dann auch im wohlverstandenen Eigeninteresse wahr; sie sind der öffentlichen Gewalt nicht nur passiv unterworfen, sondern an ihrer Ausübung aktiv beteiligt.“
Der verfassungsrechtliche Rahmen einer Selbstverwaltung ist in dem vor wenigen Tagen übersandten Gutachten von Herrn Prof. Dr. Kluth (ZRI 2022, 993) umfangreich beschrieben. Das Gutachten beleuchtet die Möglichkeiten einer selbstverwaltenden Organisation von Berufszulassung und Berufsaufsicht. Es kommt zu dem Ergebnis, dass der Schaffung einer eigenständigen Kammer der Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen.
ZRI 2023, 88
Eine eigenständige Kammer überwindet zudem die verfassungsrechtlichen Hürden, auch jene Berufsträger einzubeziehen, welche als Diplom-Wirtschaftsjuristen, Diplom-Juristen und Diplom-Kaufleute den Beruf ausüben. Hingegen wäre eine Verkammerung unter dem Dach der BRAK oder einer anderen bereits bestehenden Kammer für diesen Personenkreis, aber auch für anderweitig verkammerte Berufsträger wie etwa Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Steuerberater rechtlich äußerst schwierig umzusetzen.
Die uneingeschränkte Einbeziehung aller Berufsträger wurde zuletzt 2017 durch das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2222/12, Rz. 106) für die Pflichtmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern nochmals herausgearbeitet:
„Die ebenfalls im Deutschen Bundestag aufgrund entsprechender Gesetzesinitiativen diskutierte Alternative einer freiwilligen Mitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern ist verfassungsrechtlich nicht die eindeutig weniger belastende Alternative zur geltenden Regelung. Nach wie vor lässt sich aus dem aufgrund der Pflichtmitgliedschaft alle Branchen und Betriebsgrößen umfassenden Mitgliederbestand das legitime gesetzgeberische Ziel erkennen, in den Kammern die Teilhabe aller großen, mittleren und kleinen Unternehmen und Betriebe zu sichern. Der Wert der Arbeit der Kammern beruht insofern nicht nur auf der Unabhängigkeit vom Staat, sondern auch auf der Vollständigkeit der Informationen, die den Kammern im Bereich der zu beurteilenden Verhältnisse zugänglich sind (vgl. BVerfGE 15, 235, 242 f.). Eine freiwillige Mitgliedschaft erreicht dies nicht. Die Zielsetzung der Wahrnehmung des Gesamtinteresses ist notwendig mit einer möglichst vollständigen Erfassung der Gewerbetreibenden und ihrer Interessen verbunden, die „abwägend und ausgleichend“ zu berücksichtigen sind (§ 1 Abs. 1 IHKG). In der allgemeinen Mitgliedschaft zeigt sich der Unterschied zwischen selektiver Interessenvertretung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses. Eine freiwillige Organisation und die von den Beschwerdeführerinnen angeführte Aufgabenwahrnehmung der Interessenverbände verfolgen andere Ziele.“
Die Pflichtmitgliedschaft wäre so im Einzelfall zwar eine zusätzliche Belastung, der in der Selbstverwaltung des Berufs aber gewichtige Vorteile für alle Berufsträger gegenüberstehen. Gerade die besondere Situation ausschließlich gerichtlich bestellter Berufsträger hebt diese Selbstverwaltung als notwendiges Element der institutionalisierten Mitwirkung am Regelungsrahmen des Berufs hervor. Die Einordnung als eigenständiger Beruf, dessen Ausübung von gerichtlichen Bestellungen abhängt, setzt eine Berufsfreiheit voraus, die nicht vollständig in der Abhängigkeit von staatlichen Entscheidungsakten aufgeht.

Personelle und sachliche Ausstattung

Derzeit sind nach Angaben des Branchenmagazins INDat-Report per 31. 12. 2021 insgesamt 2.152 Personen als Insolvenzverwalter:innen, Sachwalter:innen oder Treuhänder:innen tätig. Daher liegt es nahe, hinsichtlich der personellen und sachlichen Ausstattung einer Kammer für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren die strukturellen Rahmenbedingungen der Patentanwaltskammer mit insgesamt 4.022 Mitgliedern (Stand 31. 12. 2020) heranzuziehen. Die Patentanwaltskammer ist zudem seit dem 1. 9. 2009 auch für die Zulassung der Patentanwälte zuständig und damit in ihrem heutigen Zuschnitt als bundesweit zuständige Kammer ein passendes Kammervorbild.
Per 31. 10. 2022 sind nach dortigen Angaben insgesamt 13 Vollzeitkräfte beschäftigt, sodass durch eine Vollzeitkraft insgesamt rund 310 Mitglieder betreut werden. Bezieht man diesen Personalschlüssel auf die in Deutschland zum 31. 12. 2021 bestellten Insolvenzverwalter:innen, Sachwalter:innen und Treuhänder: innen, ergibt sich hieraus ein Personalbedarf von 7 Mitarbeiter: innen, einschließlich einem/einer Geschäftsführer:in.
Der vergleichsweise geringe Personalbedarf führt sodann auch zu einem überschaubaren Raum- und Sachbedarf, welcher insgesamt die Struktur der Insolvenzverwalterkammer als schlanke und zudem von Beginn an digital organisierte Selbstverwaltung ermöglicht. Letzteres gilt insbesondere auch für die digitale Führung und Veröffentlichung der Vorauswahlliste.
Hinzu kommt, dass historisch bedingt im Insolvenzbereich bundesweit tätige Verbände existieren, die die Meinungsbildung und Fortbildung fördern und Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben abgeben, so dass eine Kammer diese Aufgaben nicht bzw. nicht vollständig übernehmen muss.

Gremien und Kammerversammlung

Korrespondierend zur schlanken Organisationsstruktur bestünde der Organisationsaufbau aus einer Kammerversammlung, dem Kammervorstand und einem Beirat sowie ggf. einzelnen Fachausschüssen. Alle per 31. 12. 2021 bestellten Insolvenzverwalter:innen, Sachwalter:innen, Treuhänder:innen, Restrukturierungsbeauftragte und evtl. Sanierungsmoderator:innen wären als Pflichtmitglieder gleichzeitig auch unmittelbar Mitglied der Kammerversammlung. Die Kammerversammlung beschließt über die Berufsordnung und die Satzung der Kammer, wählt den Vorstand und den Beirat, legt die Höhe des Kammerbeitrages und des Etats fest. Der Kammervorstand, bestehend aus fünf Mitgliedern, vertritt die Kammer gerichtlich und außergerichtlich und setzt gemeinsam mit der Geschäftsstelle die Beschlüsse der Kammerversammlung und des Vorstands um. Die Arbeit der Kammer und des Kammervorstandes wird durch einen zehnköpfigen Beirat unterstützt, insbesondere bei Fragen der Zulassung und des Entzuges der Zulassung. Der Beirat kann sich z. B. aus sieben Berufsträgern und drei in Insolvenz- und/oder Restrukturierungsverfahren erfahrenen und im Ruhestand befindlichen Richter:innen zusammensetzen. Gegebenenfalls können Fachausschüsse für Sonderthemen, wie etwa Steuern, Internationales, Berufsrecht etc. gebildet werden.

Vorauswahllisten, Verzeichnisse der Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren

Die Diskussionen um ein Berufsrecht für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren wird vor allem auch von dem Bedürfnis der Insolvenz- und Restrukturierungsgerichte ZRI 2023, 89nach einer bundesweiten und damit einheitlichen Vorauswahlliste geprägt. In der Vergangenheit gab es in Bezug auf die Kriterien für eine Aufnahme in die gerichtsbezogenen und ggf. auch richterspezifischen Vorauswahllisten kontroverse Diskussionen bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Die von einigen Insolvenzgerichten, insbesondere von den Insolvenzgerichten in Hannover und Berlin, entwickelten Auswahlkriterien für die Aufnahme in die Vorauswahllisten hielten einer höchstrichterlichen Überprüfung nicht stand (BGH v. 13. 1. 2022 – IX AR (VZ) 1/20, ZRI 2022, 114).
Die Länderarbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ hat die Skepsis gegenüber diesen Kriterien zum Anlass genommen, Grundsätze für eine bundesweite und einheitliche Vorauswahlliste zu entwickeln, welche in dem einstimmigen Beschluss der Länderjustizministerkonferenz vom 11. 11. 2020 unterstützt wurden.
Die Ergebnisse der Länderarbeitsgruppe sehen eine digital geführte Vorauswahlliste vor, die vor allem Kriterien zur sachlichen Ausstattung und fachlichen Eignung der Amtsträger:innen beinhaltet. Hierzu gehören unter anderem Berufsausbildung, Fremdsprachenkenntnisse, Büroausstattung, Bürogröße in Standorten und personelle Besetzung, Branchenerfahrung und ggf. weitere Angaben.
Um bei Schaffung eines eigenen Berufsrechts für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren die Notwendigkeit der Führung von Listen durch Richter:innen entfallen zu lassen, muss ein zentral geführtes Verzeichnis der zugelassenen Amtsträger:innen grundsätzlich die Aufnahme aller Informationen vorsehen, die Richter:innen heute über Prätendenten in den jeweils selbst geführten Listen vorhalten. Die Aufnahme derartiger Merkmale, die nicht zwingend Zulassungsvoraussetzung sind, muss nachgewiesen und überprüfbar sein. Nur so können die Gerichte auf eine weitere Einholung von Informationen über die Bewerber:innen verzichten. Wir verweisen auf das Insolvenzstatistikgesetz und die dort bereits verpflichtend verankerten Informationserteilungen zu Verfahrensergebnissen. Diese Daten könnten bei entsprechender gesetzlicher Grundlage und Verknüpfung herangezogen werden.
Diese Vorauswahlliste wäre von der Kammer in digitaler Form zu führen und damit sowohl den Gerichten als auch den Verfahrensbeteiligten jederzeit zur Einsicht offen. Auch hier bietet sich der Vergleich zur Patentanwaltskammer an, welche nicht nur die Zulassung der Patentanwälte übernommen hat, sondern auch das Verzeichnis der in Deutschland zugelassenen Patentanwälte führt.
Der BGH (ZRI 2022, 114, Rz. 28) weist ausdrücklich auf die Ermessensbeschränkungen eines solchen Verfahrens hin, die auch für eine Kammer zu gelten hätten:
„Erfüllt ein Bewerber die persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen, kann ihm die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden. Ein Ermessen für den die Vorauswahlliste führenden Insolvenzrichter besteht nicht (BGH, Beschl. v. 19. 12. 2007, a. a. O.; v. 17. 3. 2016 – IX AR (VZ) 1/15, ZIP 2016, 876, Rz. 24). Es ist zwischen dem Beurteilungsspielraum einerseits zu unterscheiden, welcher der Justizverwaltungsbehörde zuzubilligen ist, wenn sie den Bewerber an den allgemeinen Kriterien für die fachliche und persönliche Eignung misst, und dem Ermessensspielraum des Insolvenzrichters andererseits, der aus den in die Liste aufgenommenen Bewerbern einen Insolvenzverwalter im Einzelfall bestimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 19. 12. 2007, a. a. O., Rz. 21)“.
Den gesetzlich zu definierenden Zulassungskriterien kommt in diesem Kontext besondere Bedeutung zu.

Zulassungsvoraussetzungen

Der zuvor genannte Bericht der Länderarbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ vom 28. 9. 2021, der dem Beschluss der Justizministerkonferenz am 11. 11. 2021 vorausging, listet eine Reihe von Zulassungsvoraussetzungen auf und greift dabei auf die Ergebnisse früherer Diskussionen zurück. Hervorzuheben sind die dort (S. 8) formulierten sogenannten eigentlichen Zulassungskriterien zu folgenden Themen:
  • Ausbildung
  • Theoretische Kenntnisse
  • Praktische Erfahrung
  • Keine Vorstrafen
  • Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse
  • Generelle Unabhängigkeit
  • Bereitschaft zur höchstpersönlichen Amtswahrnehmung
  • Vermögensschadenshaftpflichtversicherung
  • Büroausstattung
Der VID kann sich den hier beschriebenen Vorgaben anschließen. Schon die in der Uhlenbruck-Kommission entwickelten Empfehlungen aus dem Jahr 2004 und die Berufsgrundsätze unseres Verbandes aus dem Jahr 2006 stellen an die Eignung der Insolvenzverwalter:innen unter § 3 der VID-Berufsgrundsätze ähnliche Anforderungen. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung, GOI, enthalten dazu weitere Regeln zur Amtswahrnehmung, Versicherung, Büroausstattung bzw. Büroorganisation, die sich nach unserem Eindruck mit den Vorstellungen der Länderarbeitsgruppe decken und von dieser auch unter der Rubrik „Weitere abzufragende Informationen“ an vielen Stellen des Berichts der Arbeitsgruppe angesprochen werden.
Im Bericht der Länderarbeitsgruppe fehlt jedoch eine Regelung zur Zulassung der bereits langjährig tätigen Berufsträger. Hier plädieren wir schon aus verfassungsrechtlichen Gründen für eine Regelung dahingehend, dass zumindest der Zulassungsprozess übergangsweise dahin angepasst wird, dass bei Nachweis einer mindestens dreijährigen Berufstätigkeit und einer noch zu definierenden Zahl eigener gerichtlicher Bestellungen ausreichende theoretische und praktische Kenntnisse zu unterstellen sind.
ZRI 2023, 90

Entzug der Zulassung

Die Länderarbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ schlägt vor, die folgenden Gründe für ein „Delisting“ gesetzlich zu verankern:
  • 1. Eigenantrag
  • 2. Irrtümliche Annahme des Vorliegens der eigentlichen Zulassungskriterien bei der Zulassungsentscheidung
  • 3. Falschangabe(n) im Zulassungsverfahren
  • 4. Nachträglicher Wegfall der eigentlichen Zulassungskriterien
  • 5. Verstoß gegen Fortbildungsobliegenheiten
  • 6. Entlassung(en) nach § 59 InsO
  • 7. Negative Erfahrungen aus Insolvenzverfahren
Zu dem unter 6. genannten „Delisting-Grund“ führt sie aus:
„Wird eine auf die Vorauswahlliste aufgenommene Person ein- oder mehrmals nach § 59 InsO entlassen, kann dies zu ihrer Streichung von der Vorauswahlliste führen. Dabei kommt es darauf an, ob von der Entlassung oder den Entlassungen auf eine generelle Ungeeignetheit der Person als Insolvenzverwalterin oder Insolvenzverwalter geschlossen werden kann. Regelungstechnisch wäre insofern eine Norm zu begrüßen, nach der bei einer näher zu bestimmenden Anzahl von Entlassungen gemäß § 59 InsO innerhalb eines näher zu bestimmenden Zeitraums ein ‚Delisting‘-Grund gegeben ist, die listenführende Stelle im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung über das ‚Delisting‘ allerdings solche Entlassungen unberücksichtigt lassen kann, die nicht auf eine Ungeeignetheit der Person als Insolvenzverwalterin oder Insolvenzverwalter schließen lassen (z. B. Entlassung auf Antrag der Insolvenzverwalterin oder des Insolvenzverwalters wegen einer nachträglich bekannt gewordenen Interessenkollision).“
Der VID hat gemeinsam mit dem BAKInsO und der NIVD am 25. 11. 2019 hierzu in einem gemeinsamen Eckpunktepapier folgende Position formuliert:
„Ab einer noch näher zu bestimmenden Anzahl in einem noch zu definierenden Zeitraum von rechtskräftigen Entlassungsentscheidungen nach § 59 InsO wird die Streichung aus dem bundeseinheitlichen Verzeichnis vollzogen. Hinsichtlich dieser Entscheidungen ist regelhaft der Rechtsweg bis zum Bundesgerichtshof zu eröffnen. Ausgenommen hiervon sind Entlassungen auf eigenen Antrag des Verwalters. Das Streichen aus der bundeseinheitlichen Liste soll zu einer Entlassung aus dem Insolvenzverwalteramt aus allen laufend betreuten Verfahren führen. Das Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die Streichung aus dem bundeseinheitlichen Verzeichnis soll aufschiebende Wirkung haben.“
Im Unterschied zur Länderarbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ wird hier nicht bereits eine einmalige Entlassung als potentieller „Delisting-Grund“ vorgesehen. Der im Einzelfall problematische Rückschluss auf eine generelle Ungeeignetheit soll nur bei einer erheblichen Anzahl von Entlassungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zulässig sein. Die Länderarbeitsgruppe hat diesen Punkt ebenfalls gesehen, geht aber wohl davon aus, dass auch eine einmalige Entlassung den Entzug der Zulassung begründen können soll.
Dieser Zusammenhang verweist auf § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO, der die Notwendigkeit eines „wichtigen Grundes“ für eine Entlassung hervorhebt. Ohne eine gesetzliche Definition, die zumindest beispielhaft wichtige Gründe für eine Entlassung formuliert, wird der Entzug der Zulassung als Konsequenz mehrfacher Entlassungen nicht zu rechtfertigen sein. Mit den Gründen, die ohne weiteres zu einer Verweigerung der GOI-Zertifizierung führen, hat der VID bereits Ansätze hierzu formuliert.
Problematisch ist der unter Ziffer 7. genannte „Delisting-Grund“, den die Länderarbeitsgruppe: wie folgt begründet
„Negative Erfahrungen aus Insolvenzverfahren (zum Beispiel: unzureichende Berichterstattung, fehlerhafte Insolvenzplanbearbeitung, umfassende Delegation oder vermeidbar verlustreiche Betriebsfortführungen, Notwendigkeit zur Verhängung von Ordnungsgeldern oder verlorene Haftpflichtprozesse) können zur Streichung der betreffenden Person von der Vorauswahlliste führen. Dabei kommt es darauf an, ob von den negativen Erfahrungen auf eine generelle Ungeeignetheit der Person als Insolvenzverwalterin oder Insolvenzverwalter geschlossen werden kann. Zu erwägen ist, ein mehrköpfiges, die listenführende Stelle unterstützendes Expertengremium einzurichten, das sich zu gleichen Teilen aus Personen aus der insolvenzgerichtlichen Praxis und aus der Insolvenzverwalterpraxis zusammensetzen könnte.“
Selbst das Korrektiv eines Expertengremiums wird nicht verhindern, dass die genannten „negativen Erfahrungen“ einen Entzug der Berufszulassung nicht rechtfertigen können. Sie sind teilweise auf die nachträgliche Beurteilung von Entscheidungen gestützt, die während des Verfahrens unter Zeitdruck und ohne später zugängliche Informationen getroffen werden müssen. Der BGH (IX ZR 125/17, ZRI 2020, 303) hat zwar eine Anwendung der „business judgement rule“ auf Insolvenzverwalter abgelehnt. Er hat dabei aber betont, dass der dem Insolvenzverwalter bei unternehmerischen Entscheidungen zustehende Ermessensspielraum erst dann überschritten sei, wenn die Maßnahme aus der Perspektive ex ante angesichts der mit ihr verbundenen Kosten, Aufwendungen und Risiken im Hinblick auf die Pflicht des Insolvenzverwalters, die Masse zu sichern und zu wahren, nicht mehr vertretbar ist.
Die Rechtsaufsicht des Gerichts kann und darf auch nicht auf dem Weg des § 59 InsO in eine nachträgliche Fachaufsicht ausgeweitet werden. Eine unzureichende Berichterstattung setzt rechtlich verbindliche Maßgaben voraus, die nicht durch die Gerichte, sondern durch den Gesetzgeber geschaffen werden müssen.

Beiträge

Berufsständische Kammern finanzieren sich über die Beiträge ihrer Pflichtmitglieder. Aus den zuvor genannten Gründen könn-ZRI 2023, 91ten sich die Beiträge an den Vorgaben der Patentanwaltskammer orientieren. Dort wird ein jährlicher Kammerbeitrag von 440 € je Berufsträger und ein weiterer Beitrag zwischen 30 € und 60 € je im Jahresdurchschnitt beschäftigtem Teilzeit- bzw. Vollzeitbeschäftigten in Ansatz gebracht. Ein solches auch auf die Zahl der Mitarbeiter:innen bezogenes Modell könnte für einen wirtschaftlichen Ausgleich zwischen kleineren und größeren Verwalterbüros Sorge tragen. Hieraus ergäbe sich, ohne Berücksichtigung der Beiträge für Mitarbeiter:innen und bezogen auf zum 31. 12. 2021 als Insolvenzverwalter:innen, Sachwalter:innen, Treuhänder:innen, Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderator:innen tätige Personen, ein Beitragsvolumen von 946.880 €, welches die beschriebene schlanke Organisationsform der Kammer ausreichend finanzieren kann.

Berufsausübungsregeln

Nicht nur für die Berufsausübung selbst, sondern vor allem für den Entzug der Zulassung sind klar definierte und ausgewogene Berufsausübungsregeln von besonderer Wichtigkeit. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung, der Standardkontenrahmen SKR04, der Fragebogen zur Unabhängigkeit und weitere Vorgaben bilden eine bewährte Basis für ausdifferenzierte Berufsausübungsregelungen. Gerade in ihrer Allgemeinverbindlichkeit für alle Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren und in allen Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren läge ein wesentlicher Gewinn einer gesetzlichen Regelung des Berufsrechts. Zudem beseitigen allgemeinverbindliche Berufsausübungsregeln das von einigen Insolvenzgerichten mit individuellen Lösungen nur unzureichend geschlossene Vakuum zwischen den rudimentären gesetzlichen Vorgaben der InsO und des StaRUG einerseits und den Anforderungen der Praxis andererseits. Darüber würden sie die bundesweite Gerichtspraxis sowie die Bearbeitung der Insolvenzverfahren vereinheitlichen und damit letztendlich auch zu mehr Transparenz für die Verfahrensbeteiligten, insbesondere die Gläubiger, führen. In diesem Zusammenhang dürfen wir nochmals darauf hinweisen, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung, aber auch der Standardkontenrahmen und ähnliche Vorgaben seit 2009 kontinuierlich aus der Mitte der Mitglieder unseres Berufsverbandes entwickelt wurden.
An dieser Entwicklung haben weit mehr als 30 Insolvenzverwalter:innen unterschiedlichster Kanzleigrößen mitgearbeitet und so ein einerseits konsensuales, aber auch andererseits sehr detailliertes Modell zu den Berufsausübungsregeln entwickelt. Diese Berufsausübungsregeln haben vielfach auch in der Gerichtspraxis Berücksichtigung und große Anerkennung gefunden, sodass vor allem mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung, aber auch mit dem Standardkontenrahmen, eine fachlich anerkannte und praxisnahe sowie rechtlich durchdachte Grundlage für die Schaffung allgemeinverbindlicher Berufsausübungsregelung zur Verfügung steht.
Zudem stellen Berufsausübungsregelungen wie die über Jahre „gewachsenen“ GOI Maßstäbe für pflichtgemäßes und nicht insolvenzzweckwidriges Verhalten dar.

Doppelmitgliedschaft, anderweitige Tätigkeit, Versorgungswerk

Wie auch in anderen Berufen, wäre es durchaus möglich, dass die als Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zugelassenen Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren zugleich auch anderen berufsständischen Kammern angehören. Hierfür wurden über Jahrzehnte entsprechende Abgrenzungskriterien gebildet, die ohne Weiteres auch auf den Beruf des Insolvenzverwalters und seine Abgrenzung zu anderen Berufen, insbesondere den des Rechtsanwaltes, Anwendung finden können.
Die Schaffung eines eigenen Versorgungswerks ist weder notwendig noch angedacht. Die bereits jetzt anderweitig verkammerten Amtsträger:innen verbleiben daher in den Versorgungswerken ihrer Kammern. Anderweitig nicht verkammerte Amtsträger:innen werden weiterhin eine andere Grundlage für ihre Altersversorgung zu finden haben.
Pflichtmitglieder der Kammer für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren werden nur die durch die Gerichte bestellten Amtsträger:innen. Damit werden die durch den Schuldner unmittelbar oder mittelbar beauftragten Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder sonstigen Berater Kraft ihrer Aufgabe nicht in den Anwendungsbereich des Berufsrechts einbezogen und damit auch nicht Pflichtmitglieder der Insolvenzverwalterkammer.

Rechtsweg

Eine Allgemeinverbindlichkeit von Berufsausübungsregelungen und vor allem eine klare Regelung zu den Fragen der Zulassung und des Entzugs der Zulassung über das bisher sogenannte „kalte Delisting“ hinaus wird auch zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen können. Daher ist ein auf den Beruf des Amtsträgers in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren bezogenes Rechtsmittelsystem zu schaffen. Dieses basiert auf dem Gedanken, dass erstinstanzlich zunächst die gerichtliche Entscheidung unter Hinzuziehung der Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren gefunden wird. Auch im weiteren Instanzenzug bis zum BGH wäre die Mitwirkung der Berufsträger nach dem Vorbild der anwaltlichen Berufsgerichtsbarkeit umzusetzen. Sie ist eine grundgesetzmäßige, unabhängige staatliche Gerichtsbarkeit (vgl. BGH v. 9. 11. 2016 – AnwZ (Brfg) 61/15 m. w. N.) und sollte zivilrechtlich geprägt bleiben. Die anwaltliche Gerichtsbarkeit hat ein austariertes Modell der Gerichtsbesetzung, die übertragen auf die Insolvenzverwaltung Folgendes bedeuten würde:
  • Insolvenzberufsgericht: 3 Insolvenzverwalter:innen
  • Insolvenzberufsgerichtshof: 5 Richter:innen: Vorsitz Insolvenzverwalter/-in, 2 insolvenzgerichtliche Beisitzer:innen, 2 insolvenzverwaltende Beisitzer:innen
  • Bundesgerichtshof in Insolvenzsachen: 5 Richter:innen: Vorsitz Präsident BGH, 2 Mitglieder BGH, 2 Insolvenzverwalter:innen als Beisitzer
ZRI 2023, 92

Alternativen und Umsetzungsaufwand

Die lang diskutierte Lösung einer Selbstverwaltung innerhalb der Organisation der Bundesrechtsanwaltskammer und der 27 angeschlossenen Regionalkammern bietet nach dem Ergebnis der gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. Kluth vom 6. 12. 2022 (ZRI 2022, 993) keinen wesentlichen Mehrwert. Vielmehr würde mit einer derartigen und ohnehin mit keinen wesentlichen Synergien verbundenen Lösung unter dem Dach der BRAK rechtliches Neuland beschritten. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Tragweite der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG liefe eine solche Neuschöpfung zweier verfassungsrechtlich anerkannter Berufe unter dem Dach einer Kammer Gefahr, dass gerade bei gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Zulassung oder den Entzug der Zulassung die Legitimation eines solchen Konstrukts in Zweifel gezogen wird und somit erst durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt oder abgelehnt würde. Auch müsste nach dem Gutachten von Prof. Dr. Kluth bei einer organisatorischen Verortung unter dem Dach der BRAK die rechtliche Selbstständigkeit der unabhängigen Stelle oder Kammer so hoch sein, dass diese Stelle ausschließlich durch alle zugelassenen Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren gewählt und damit personell demokratisch legitimiert wird. Eine „Vermischung“ der Organe mit den Organen anderer Berufe ist unzulässig. Die Hürden für die institutionelle Einbindung einer Kammer unter dem Dach der BRAK sind daher sehr hoch und nur schwer verfassungsrechtlich abzusichern.
Der administrative und finanzielle Aufwand für den Staat ist bei der hier vorgeschlagenen Lösung über eine eigenständige Kammer deutlich überschaubar. In erster Linie wird die Aufsicht der Kammer für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungssachen im Bundesministerium für Justiz zu implementieren sein. Dort wird man in der Abteilung Rechtspflege und dort im Referat Berufsrecht auf bewährte Aufsichtsstrukturen zurückgreifen können. Der Umsetzungsaufwand wird daher dort mit überschaubaren finanziellen und zeitlichen Vorgaben möglich sein. Im Übrigen wird sich die Kammer und damit die übergeordnete Aufsicht aus den Beiträgen der Kammermitglieder und somit neutral für den Staatshaushalt finanzieren. Auch die Organisation und personelle Ausstattung sowie die Weiterentwicklung des Aufsichtssystems obläge der Kammer und würde so – anders als bei der Aufsicht über das Bundesamt der Justiz – keine personellen und finanziellen Ressourcen des Staates binden.

Abschlussüberlegung

Lange war das Ob eines umfassenden Berufsrechts und vor allem die Frage der Organisationsform strittig. Spätestens seit den Ergebnissen der Länderarbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ und der Initiative des Bundesministeriums der Justiz zur Umsetzung eines Berufsrechts stehen jetzt inhaltliche und strukturelle Fragen im Vordergrund.
Die Diskussionen der letzten Wochen und Monate, insbesondere diejenige in der Mitgliederversammlung unseres Berufsverbandes und die offene Diskussion zum Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. Kluth vom 14. 12. 2022 in unserem Ausschuss Berufsrecht, haben nochmals in besonderer Weise deutlich gemacht, dass die Mitglieder unseres Berufsverbandes nahezu ausnahmslos für eine selbstverwaltende Organisationsform in Gestalt einer eigenständigen Kammer für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren eintreten. Mit dieser Lösung kann, wie bereits in unserem an Sie (BMJ, Anm. der Redaktion) gerichteten Schreiben vom 29. 8. 2022 zum Ausdruck gebracht, die Brücke zwischen staatlicher Aufsicht einerseits und Selbstverwaltung andererseits geschlagen werden. Im Sinne der zitierten Antwort der Bundesregierung vom 7. 7. 2022 ist gerade eine selbstverwaltende Organisationsform für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren zeitgemäß und sachgerecht. Der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eigenständige Beruf des Insolvenzverwalters ist aus den freiberuflichen Wurzeln seiner Vertreter heraus in ein System der funktionalen Selbstverwaltung über eine eigenständige Kammer einzubinden.
Dabei ist diese Selbstverwaltung nicht losgelöst von staatlicher Aufsicht und Vorgaben, sondern gerade über die Aufsicht des BMJ und die Vorgaben des Gesetzgebers sowie in enger Zusammenarbeit mit den Insolvenz- und Restrukturierungsgerichten in das staatliche Aufsichtssystem eingebettet. Es ermöglicht aber zugleich dem eigenständigen Beruf und dessen Vertretern ein Höchstmaß an Selbstverwaltung und Gestaltung innerhalb gesetzlich abgesteckter Rahmenbedingungen.

Zusammenfassung

  • In der Abwägung zwischen einer Berufszulassung und Berufsaufsicht durch das Bundesamt für Justiz oder durch eine eigenständige Kammer für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren plädiert der VID, gestützt auf ein klares Mehrheitsvotum seiner Mitglieder, für die Schaffung einer eigenständigen Kammer und die damit verbundene Organisation in beruflicher Selbstverwaltung.
  • Die Kammer für Amtsträger:innen in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren hat gegenüber einer Berufszulassung und Berufsaufsicht durch das Bundesamt für Justiz eindeutige Vorteile. Sie organisiert die notwendige Fachkunde, sichert die umfassende Beteiligung der Berufsträger und entlastet den Staat.
  • Im Zusammenwirken mit der Aufsicht durch Gerichte und Gläubiger im Einzelfall ergänzt die eigenständige Kammer ein Aufsichtsmodell, das die weitere Fortentwicklung der rechtlichen Aufgaben von Amtsträgern in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren dynamisch begleiten kann und sicherstellt, dass entsprechende berufsrechtliche Maßgaben zeitnah umgesetzt werden.

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell