RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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2699-0490
Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz
ZRI
2022
Literatur
Gerhardt, Walter/Eckardt, Diederich/Windel, Peter A. (Hrsg.), Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, Bd. 7 (§§ 174 – 216),
2. Aufl., 2022, XXVII und 513 S., 149,95 €, ISBN 978-3-11-034350-2
Kurz nach Erscheinen von Band 4, des ersten Bandes der 2. Auflage, liegt den Lesern jetzt der erstmals 2010 erschienene 7. Band des von Walter Gerhardt, Diederich Eckardt und Peter A. Windel herausgegebenen Jaeger’schen Großkommentars zur InsO vor. Er ist bearbeitet von Nicola Preuß, Caroline Meller-Hannich und Peter A. Windel und befasst sich mit der Forderungsfeststellung (§§ 174 – 186), der Erlösverteilung (§§ 187 – 206) und der Einstellung des Verfahrens (§§ 207 – 216).
Die Regelungen des ersten Abschnitts des fünften Teils über die Forderungsfeststellung (§§ 174 – 186) sind von Nicola Preuß kommentiert worden, die hier die Nachfolge von Walter Gerhardt angetreten und dessen vorzügliche Kommentierung gestrafft – 169 statt 219 Druckseiten bei allerdings deutlich verdichtetem Druckbild – und weiterentwickelt hat. Seit der Vorauflage ist reichhaltiges Material erschienen, das umfassend und verlässlich eingearbeitet worden ist. So sind etwa die wegweisenden Entscheidungen des BGH vom 25. Juni 2020 (ZRI 2020, 414 = NJW 2020, 3102 ) und vom 11. April 2019 (NJW 2019, 1877) gründlich ausgewertet und kritisch gewürdigt worden. Interessant sind auch die Ausführungen zum Verhältnis des Feststellungsverfahrens zum Schiedsverfahren. Hier ist sicher richtig, dass ein bestreitender Gläubiger nicht an eine Schiedsvereinbarung zwischen dem Schuldner mit dem anmeldenden Gläubiger gebunden sein kann (§ 180 Rz. 14). Anders verhält es sich, wenn der Insolvenzverwalter widerspricht (§ 180 Rz. 13). Das wirft dann aber im Hinblick auf die in § 183 Abs. 1 InsO normierte Rechtskrafterstreckung die in der Kommentarliteratur allgemein vernachlässigte Frage auf, ob ein die bestrittene Forderung feststellender Schiedsspruch auch die anderen Insolvenzgläubiger bindet, obwohl diese weder an der Schiedsvereinbarung noch am Schiedsverfahren beteiligt waren (dazu zuletzt Bork, in: Festschrift Herbert Roth, 2021, S. 683, 694 f.).
Die Normen des zweiten Abschnitts des fünften Teils der InsO über die Erlösverteilung (§§ 187 – 206) hat, wie schon in der Vorauflage, Caroline Meller-Hannich kommentiert. Ihre schon bis-ZRI 2022, 760her äußerst gründliche Bearbeitung ist in der Neuauflage noch einmal ausgeweitet und vertieft worden. Der Benutzer des Kommentars erhält auch hier verlässliche und profunde Auskunft. Dabei wird zu streitigen Fragen differenziert Stellung genommen. So setzt sich die Verfasserin etwa ausführlich mit dem Problem auseinander, wie eine doppelte Befriedigung eines absonderungsberechtigten Gläubigers aus dem Sicherungsgut einerseits und durch Ausschüttung der Quote andererseits vermieden werden kann. Das Gesetz lässt in § 52 Satz 2, § 190 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Quotenzahlung nur zu, wenn der absonderungsberechtigte Gläubiger dem Insolvenzverwalter nachgewiesen hat, dass und mit welchem Betrag er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet hat oder bei ihr ausgefallen ist. Das wirft die Frage auf, in welcher Form und mit welchem Inhalt ein entsprechender Verzicht zu erklären ist. Der BGH hat sich dazu in einer Entscheidung vom 9. März 2017 (NZI 2017, 345) auf den Standpunkt gestellt, der Verzicht könne nicht konkludent durch Anmeldung der gesicherten Forderung in voller Höhe erklärt werden und müsse inhaltlich auf die Aufgabe des materiellen Sicherungsrechts gerichtet sein. Meller-Hannich folgt dem in argumentativ überzeugender Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung, auch in der Variante, dass eine Entlassung der gesicherten Forderung aus der Sicherungsabrede genügen kann (§ 190 Rz. 13).
Von gewohnter Brillanz sind schließlich auch die Ausführungen von Peter A. Windel zu den Vorschriften des dritten Abschnitts des fünften Teils zur Einstellung des Verfahrens (§§ 207 – 216). Die schon in der Vorauflage umfangreiche Bearbeitung ist noch einmal erheblich angewachsen. Sie überzeugt wieder durch eine äußerst kompetente, tiefschürfende und kritische Durchdringung der Materie, wofür etwa die Kommentierung des § 208 InsO beeindruckendes Zeugnis ablegt, die auf 44 Druckseiten keinen Aspekt des masseunzulänglichen Verfahrens unbehandelt lässt und selbst die zivilprozessrechtlichen Implikationen, das Betriebsverfassungsrecht und das Polizei- und Ordnungsrecht nicht aus dem Blick verliert. Ganz generell hält es der Bearbeiter erfreulicherweise nicht für seine Aufgabe, „herrschenden Meinungen“ einfach eine weitere Belegstelle hinzuzufügen, sondern den Dingen in wissenschaftlich anspruchsvollster Weise auf den Grund zu gehen. Das führt vielfach zu neuen Perspektiven und Ansätzen und zu Antworten auf Fragen, die anderenorts bislang gar nicht gestellt wurden. Exemplarisch sei verwiesen auf die Ausführungen zur Antragsberechtigung für den Einstellungsantrag eines Verbandes, für die sich Windel gegen die h. M., die Gesamtvertretung aller Organmitglieder verlangt, überzeugend zugunsten der gesellschaftsrechtlich in der Regel vorgesehenen Einzelvertretung ausspricht und damit nicht nur das Insolvenz- mit dem Gesellschaftsrecht, sondern auch das Insolvenzantragsrecht mit dem Einstellungsantragsrecht harmonisiert (§ 212 Rz. 19 f.).
Noch ein Wort zu den Äußerlichkeiten. Der Verlag hat sich für eine etwas „kantigere“ Gestaltung des Umschlags und im Text für ein neues, dichteres, aber leserfreundliches Schriftbild entschieden, das dem Kommentar auch in seinem Erscheinungsbild einen modernen Anstrich verleiht. Begrüßenswert ist auch, dass jetzt alle Kommentierungen zusätzlich zum allgemeinen Sachverzeichnis eines jeden Bandes mit Stichwortverzeichnissen (alphabetischen Übersichten) zu jedem einzelnen Paragrafen ausgestattet sind. Das erleichtert es dem Leser sehr, sich in den zum Teil sehr umfangreichen Bearbeitungen zurechtzufinden (exemplarisch: Windel, § 208 vor Rz. 1).
Insgesamt genügt auch dieser Band in jeder Hinsicht den hohen Anforderungen, die beim Jaeger an die wissenschaftliche Durchdringung einerseits und die praxisorientierte Aufbereitung andererseits zu stellen sind. Die Arbeit mit der hier vorgelegten Kommentierung bringt den Benutzer auf beiden Feldern weiter.
Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg