ZRI 2025, 796

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2025 Literatur

Stürner, Rolf/Eidenmüller, Horst/Schoppmeyer, Heinrich/Madaus, Stephan (Hrsg.), Münchener Kommentar zur InsO, Band 1 (§§ 1-79, InsVV)

5. Aufl., 2025, C. H. Beck, XLI und 2.906 S., 269 €, ISBN: 978-3-406-81061-9
 
Sechs Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes der Vorauflage und vier Jahre nach deren Abschluss legt der Verlag C. H. Beck jetzt den ersten Band der fünften Auflage des Münchener Kommentars zur Insolvenzordnung vor. Er darf inzwischen als etabliertes Standardwerk gelten, das sich – nicht zuletzt wegen seiner guten Online-Verfügbarkeit – großer Beliebtheit erfreut. Die Neuauflage war daher von der Leserschaft sehnlich erwartet worden, haben doch Gesetzgeber, Rechtsprechung und Literatur auch in den letzten sechs Jahren eifrig am Insolvenzrecht gearbeitet. Diese Erwartungen sind – um das Ergebnis vorwegzunehmen – nicht enttäuscht worden.
Der erste Band hat jetzt einen Umfang von 2.906 Seiten, gegenüber der Vorauflage eine Steigerung um 22 %. Schon daran erkennt man, wie viel neues Material zu berücksichtigen und einzuarbeiten war. Ein solcher Zuwachs stellt nicht zuletzt den Buchbinder vor größere Herausforderungen – eine Aufgabe, die hier gut bewältigt ist. Vielleicht interessieren ja auch einmal die technischen Details: Gedruckt wurde die fünfte Auflage auf 34g- statt 39g-Papier, so dass der Rücken gegenüber der Vorauflage nur 4mm (statt sonst 13mm) breiter geworden ist. Überhaupt ist das Werk äußerlich und technisch auf ansprechendem Niveau gestaltet. Unter ästhetischen Gesichtspunkten mag man bedauern, dass der Verlag neuerdings durchweg auf Schutzumschläge verzichtet. Das ist freilich nicht nur unter Kosten-, sondern auch unter Umweltgesichtspunkten verständlich, denn die mit Folie überzogenen Schutzumschläge sind strenggenommen als Sondermüll zu behandeln.
Personell gibt es einige Modifikationen zu vermelden. Auf der Herausgeberseite haben sich Rolf Stürner, Horst Eidenmüller und Heinrich Schoppmeyer – wie schon beim Schwesterkommentar zum StaRUG – Verstärkung durch Stephan Madaus geholt. Aus dem Autorenteam sind Jochen Drukarczyk, Ulrich Ehricke, Thorsten Graeber, Hans Haarmeyer und Hendrik Hefermehl ausgeschieden, allesamt prägende Personen der ersten 25 InsO-Jahre. Hinzugekommen sind Gunter Deppenkemper (§§ 56-59, für die Thorsten Graeber allerdings noch als Mitautor genannt wird), Nicole Langer (§§ 53-55), Jana Peters (§§ 35-36, zusammen mit Bernd Peters, der bisher allein verantwortlich zeichnete) und Andreas Schüler (§§ 18, 19). Die §§ 21-26a kommentiert Charlotte Schildt jetzt allein (bisher zusammen mit Hans Haarmeyer), ebenso Caspar Behme die §§ 38, 39 (bisher zusammen mit Ulrich Ehricke).
Inhaltlich besteht die Herausforderung bei Neuauflagen vor allem darin, mit der Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur Schritt zu halten. Das ist in dem vorliegenden Band durchweg gut gelungen, auch wenn an der ein oder anderen Stelle eine etwas gründlichere Aufarbeitung wünschenswert gewesen wäre. Sucht man z. B. in der Kommentierung von Eilenberger zu § 17 InsO Rat zu der Frage, wann von einer Zahlungseinstellung i. S. v. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO auszugehen ist, dann findet man bei Rdnr. 41 ff. nur einen knappen Hinweis auf neuere Rechtsprechung, insbesondere auf die grundlegende Entscheidung des BGH vom 6. 5. 2021 (IX ZR 72/20, BGHZ 230,28 = ZRI 2021, 645 = NZI 2021, 720) sowie auf das Urteil vom 20. 2. 2022 (IX ZR 148/19, ZRI 2022, 286 = NJW-RR 2022, 483). Weitere Rechtsprechung ist nicht ausgewertet (Nachweise zuletzt in BGH, Urt. v. 9. 1. 2025 – IX ZR 41/23, ZRI 2025, 132). Zwar wird noch referiert, dass eigene Erklärungen des Schuldners, nicht mehr zahlen zu können, ein besonders starkes Indiz für die Zahlungseinstellung sind, aber schon die Auffassung des IX. Senats, bei Fehlen einer (ausdrücklichen) Erklärung des Schuldners müssten die für eine Zahlungseinstellung sprechenden Umstände ein der Erklärung entsprechendes Gewicht erreichen, findet keine Erwähnung. Auch die vom BGH als besonders gewichtig anerkannten Indizien (u. a. Nichtbefriedigung von Gläubigern, auf deren weitere Leistungserbringung der Schuldner zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs angewiesen ist; erheblicher Mahn- und/oder Vollstreckungsdruck) bleiben unerwähnt. Die stattdessen umfangreich referierten Indizien und Rechtsprechungsnachweise stammen durchweg aus der Zeit vor der Neuausrichtung der BGH-Rechtsprechung und müssen ihre Bewährungsprobe vor den strengen Augen des IX. Senats erst (noch einmal) bestehen.
In der Praxis hängt die Annahme eines Eröffnungsgrundes oftmals davon ab, ob eine vom Schuldner substantiiert bestrittene Forderung besteht oder nicht. In einer wegweisenden Entscheidung zu § 17 InsO vom 23. 1. 2025 (IX ZR 229/22, ZRI 2025, 116) hat der IX. Senat dazu in Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur kluge Leitlinien entwickelt, in denen vor allem betont wird, dass zwischen der (aus der Rückschau beurteilt) objektiv bestehenden Zahlungsunfähigkeit und dem Beweis der streitigen Forderung zu trennen ist, wobei es auch darauf ankomme, in welcher Verfahrenssituation (Eröffnungsverfahren, Anfechtungsprozess, Haftungsprozess gegen Geschäftsleiter etc.) das Gericht zu entscheiden habe. Zu dieser schon bislang intensiv diskutierten Problematik habe ich weder in der Kommentierung des § 17 InsO (Eilenberger) noch in der des § 19 InsO (Schüler) etwas gefunden, wohl aber – wenn auch beschränkt auf das Eröffnungsverfahren – in der Kommentierung des § 16 InsO bei Rdnr. 37 ff. (Vuia).
Reichhaltige Rechtsprechung jüngeren Datums gibt es auch zur Abgrenzung einfacher Insolvenzgläubiger von den Massegläubigern. Insbesondere die Insolvenzen von Luftfahrtunternehmen haben dazu in reichem Maße beigetragen (zuletzt BGH, Urt. v. 10. 4. 2025 – IX ZR 95/24, ZRI 2025, 636; ferner Urt. v. 26. 9. 2024 – IX ZR 146/22, ZRI 2024, 900; Urt. v. 9. 3. 2023 – IX ZR 91/22, ZRI 2023, 410; Urt. v. 9. 3. 2023 – IX ZR 90/22, ZRI 2023, 408; Urt. v. 9. 3. 2023 – IX ZR 150/21, ZRI 2023, 413). Stets geht es um die Frage, wann die Ansprüche des jeweiligen Gläubigers i. S. v. § 38 InsO „begründet“ waren. In der – ohnehin sehr literaturlastigen – Kommentierung von Behme zu § 38 InsO habe ich dazu bei der einschlägigen Rdnr. 21 nichts gefunden, während die Problematik von Langer in ihrer exzellenten Kommentierung bei § 55 Rdnr. 16, immerhin unter Auswertung der drei Parallelentscheidungen vom 9. 3. 2023, ausführlich behandelt wird.
Ungeachtet dieser „Leseproben“ bleibt richtig, dass der Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung auch in der fünften Auflage ein unerlässliches Hilfsmittel und ein kaum entbehrlicher Ratgeber für alle diejenigen ist, die sich vertieft und engagiert mit dem Insolvenzrecht befassen. Wer sich seriös mit insolvenzrechtlichen Fragestellungen auseinandersetzen will, kommt an diesem großartigen Werk nicht vorbei. Mit umso größerer Spannung werden die Folgebände dieser Auflage erwartet!
Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg

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