RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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2699-0490
Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz
ZRI
2025
Literatur
Bork, Reinhard/Mangano, Renato (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Insolvency Law
2024, Oxford University Press, 400 S., 110 £, ISBN 978-0-19-885209-4
Die Anatomie ist bekanntermaßen die Lehre vom Bau der Organismen. Da das Recht nun einmal kein Organismus ist, scheint sich auf den ersten Blick bisher keine Anatomie des Rechts entwickelt zu haben. Eine genauere Betrachtung zeigt allerdings, dass jedenfalls die deutschsprachigen Rechtsordnungen mit ihrem Faible für die systematische Auslegung durchaus einen mit der Anatomie vergleichbaren Ansatz verfolgen. Im internationalen Kontext konnte sich dieses Konzept freilich nicht durchsetzen, liegt diesem doch die nicht immer zutreffende Vorstellung zugrunde, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des (kodifizierten) Rechts einen gesamtsystematischen Ansatz verfolgt. Gleichwohl scheint auch die internationale Rechts-Community von dem Gedanken beseelt zu sein, bestimmte Rechtsgebiete insgesamt zu vermessen und – wenn auch keine Systematik – dann jedenfalls eine Anatomie dieser Rechtsgebiete zu entwickeln. Dies zeigt sich bei dem von Bork und Mangano herausgegebenen Werk The Anatomy of Corporate Insolvency Law, das sich offenbar an das von Kraakman, Armour, Davies, Enriques, Hansmann, Hertig, Hopt, Kanda, Pargendler, Ringe und Rock herausgegebene und schon in drei Auflagen erschienene Werk The Anatomy of Corporate Law (OUP, 3. Aufl., 2017) anlehnt. Das Konzept des vorliegenden Werkes ist die Vermessung des Unternehmensinsolvenzrechts, ohne dabei das internationale oder international-privatrechtliche Unternehmensinsolvenzrecht in den Blick zu nehmen. Vielmehr geht es darum, allgemeine Strukturmerkmale des Unternehmensinsolvenzrechts herauszuarbeiten. Dies stellt aus wissenschaftlicher Sicht einen sehr lohnenswerten Ansatz dar, da das Unternehmensinsolvenzrecht in den meisten Rechtsordnungen auf wenige normative Grundlagen zurückgreifen kann, sondern sich eher aus dem Insolvenzrecht der natürlichen Personen fortentwickelt hat und oftmals eher auf Rechtsprechung denn auf Gesetzgebung baut.
In ihrer Analyse gehen die insgesamt acht Autoren aus sechs verschiedenen Rechtsordnungen auf die in der unternehmensinsolvenzrechtlichen Praxis herausgemendelten Probleme ein. Dazu zählen neben der Frage, wann eine Insolvenz überhaupt vorliegt, Aspekte wie gerichtliche und außergerichtliche Sanierungen, Kreditsicherheiten, die Insolvenzanfechtung, der Haftungsdurchgriff, das Konzerninsolvenzrecht sowie das Steuer- und das Arbeitsrecht. Dabei nehmen die Autoren keine umfassende rechtsvergleichende Betrachtung all dieser Fragestellungen vor, sondern greifen besondere Entwicklungen in einzelnen Rechtsordnungen heraus und stellen diese in einen Kontext zu traditionellen Regelungsansätzen des Insolvenzrechts. Damit gelingt den Autoren eine bemerkenswerte Momentaufnahme des sich in verschiedenen Rechtsordnungen entwickelnden Unternehmensinsolvenzrechts. Die Autoren des Werkes schaffen somit einen nicht zu unterschätzenden Innovationstreiber für das Unternehmensinsolvenzrecht in zahlreichen Rechtsordnungen. So dürfte es auch für das der Rechtsvergleichung meist wenig ambitioniert gegenüberstehende deutsche (Unternehmens-)Insolvenzrecht angezeigt sein, aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen nicht mehr nur mit Bordmitteln zu lösen, sondern auch Entwicklungen in anderen Rechtsordnungen stärker in den Blick zu nehmen. Das von Bork und Mangano herausgegebene Werk bietet dafür einen sehr guten Zugang an und sollte daher von Unternehmensinsolvenzrechtlern jeder Art konsultiert werden.
Univ.-Prof. Dr. Sebastian Mock, LL.M.(NYU) Attorney-at-Law (New York), Wien