ZRI 2025, 615

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2025 Literatur

MacPherson, Alisdair/Rapatz, Caroline Sophie (Hrsg.), Floating Charges in Comparative Perspective

Edward Elgar Publishing, Cheltenham/Northampton 2025, viii und 434 S., 155 £, ISBN: 978-1-03531-713-4
 
Der deutsche Leser wird sich diesem Buch vermutlich mit einem recht beschränkten Vorwissen nähern. Er wird eine ungefähre Vorstellung davon haben, worum es sich bei einer floating charge handelt: um ein vor allem in England bekanntes besitzloses Kreditsicherungsrecht am gesamten gegenwärtigen und künftigen schuldnerischen (Betriebs-)Vermögen in seinem jeweiligen Bestand, wobei der Sicherungsgeber bis zu dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt, in dem sich das Sicherungsrecht auf den dann vorhandenen Bestand konkretisiert (sog. crystallisation), frei verfügen kann. Dass es vergleichbare Sicherungsrechte auch in vielen anderen Rechtsordnungen gibt, ist weniger bekannt.
Auf der Basis eines im Anhang zum 1. Kapitel des Buches abgedruckten Fragebogens haben die Herausgeber durch nationale Berichterstatter weltweit 40 Sicherungsrechte untersucht. Eine echte floating charge gibt es danach in China, Hongkong, Indien, Irland, Israel, Nigeria, Schottland und Singapur, ferner, wenn auch zuletzt ohne praktische Bedeutung, in Australien, Kanada (ohne Quebec) und Neuseeland. Andere Länder kennen funktionale Äquivalente, verstanden als – nicht mit einer Vollrechtsübertragung verbundene – flexible besitzlose Sicherungsrechte an einer Vielzahl von Vermögensgegenständen, etwa an allen gegenwärtigen und künftigen beweglichen Sachen und Forderungen. Solche funktionalen Äquivalente finden sich diesem Buch zufolge in Australien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Chile, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Japan, Jordanien, Kanada (Quebec), Kroatien, Litauen, Mexiko, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, Südafrika, der Tschechischen Republik, Türkei und den USA. Interessanterweise wird dem das Germanic system gegenübergestellt, das stärker auf Spezialität und Publizität setzt. Zwar wird nicht verkannt, dass etwa Globalzessionen und Raumsicherungsverträge ein „floating-Element“ haben, aber eben alles streng konstruiert nach den Regeln des Sachenrechts und mit einer – wenn auch treuhänderischen – Übertragung des Vollrechts auf den Sicherungsnehmer verbunden. Deshalb wird für Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie im Ergebnis auch für Ungarn explizit konstatiert, dass es dort kein funktionales Äquivalent zur floating charge gebe.
Im Aufbau ist das Buch in dreizehn Kapitel gegliedert. Nach einer Einleitung durch die Herausgeber präsentieren diese in einem ersten, sehr lesenswerten Kapitel eine Auswertung der Fragebögen in einer ausführlichen rechtsvergleichenden Analyse. Es folgen zwölf Kapitel zu einzelnen (Gruppen von) Rechtsordnungen, in denen viele, aber nicht alle der 40 beantworteten Fragebögen zu Wort kommen. So berichtet Andreas Televantos über England (Kapitel 2), Chike Emedosi über Ghana, Kenia und Nigeria (Kapitel 3), Vincent van Hoof über verschiedene kontinental-europäische Rechte (Kapitel 4), Reghard Brits über Südafrika (Kapitel 5), Christopher K. Odinet über die USA (Kapitel 6), Zhicheng Wu zusammen mit Hao Zhang über China (Kapitel 7), Muriel Renaudin über Frankreich (Kapitel 8), Catherine Walsh über Quebec (Kapitel 9), Radu Rizoia über Rumänien (Kapitel 10), Tibor Taijti über Ungarn (Kapitel 11), Bjørn Letveit zusammen mit Astrid Millung-Christoffersen, Patrik Lindskoug und Teemu Juutilainen über Skandinaven (Kapitel 12) und Alexandra Dal Molin-Kränzlin über die Schweiz (Kapitel 13).
Es sind vor allem zwei Eindrücke, die sich beim Lesen festsetzen. Zum einen ist bemerkenswert, welch starken Einfluss einerseits das englische und andererseits das US-amerikanische Recht auf die weltweite Entwicklung haben. Dass sich die englische floating charge in zahlreichen (aber keineswegs allen) common law-Ländern verbreitet hat, ist nicht weiter erstaunlich. Erstaunlich ist eher, dass sich ein zu diesem Sicherungsmittel funktionales Äquivalent in Kanada, anders als in Frankreich, ausgerechnet in dem dem französischen Recht verpflichteten Quebec findet. Man kennt dort eine floating hypothec/hypothèque ouverte, die sich entgegen der sich für den deutschen Leser aufdrängenden Assoziation nicht auf ein Grundstück, sondern auf das ge-ZRI 2025, 616samte Vermögen einer unternehmerisch tätigen Person bezieht. Wie man aus dem Bericht von Catherine Walsh erfährt, lehnt sich Quebec insoweit an das US-amerikanische Recht an. Dieses hat in Art. 9 Uniform Commercial Code (UCC), der sich mit dem Kreditsicherungsrecht befasst, in § 9-204 ein floating lien anerkannt. Dieses erstreckt sich zwar nicht auf das gesamte Vermögen, sondern – mit zahlreichen Ausnahmen – nur auf bewegliche Sachen und Forderungen, aber es ist nicht mit einer Vollrechtsübertragung verbunden und es schließt künftige Vermögensgegenstände des Sicherungsgebers mit ein. Nach in China herrschender Meinung hat das US-amerikanische Recht übrigens auch das – in seinen Ursprüngen eigentlich dem kontinentaleuropäischen, nicht zuletzt dem deutschen Zivilrecht verpflichtete – chinesische Recht beeinflusst, das ebenfalls eine floating charge enthält. Die Mindermeinung in China führt dies indessen auf das englische Recht zurück, wohl mit Recht, da China 2007 eine echte floating charge englischer Prägung und nicht nur ein funktionales Äquivalent nach dem US-amerikanischen Vorbild eingeführt hat.
Zum anderen ist interessant, dass man weltweit lange Zeit der Meinung war, dass die floating charge in idealer Weise dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach einem modernen Kreditsicherungsinstrument genüge. Inzwischen scheint sich der Trend aber umzukehren, wenn man bedenkt, dass Australien, Kanada, Neuseeland und Ungarn dieses bislang in ihren Rechten enthaltene, das gesamte Vermögen umfassende Kreditsicherungsinstitut entweder faktisch oder gesetzlich wieder abgeschafft haben. Man hat sich stattdessen – etwas restriktiver – in Anlehnung an Art. 9 UCC für pfandrechtsähnliche Kreditsicherungsrechte entschieden, die sich auf gegenwärtig oder künftig dem Sicherungsgeber gehörende bewegliche Sachen und Forderungen (jeweils mit bestimmten Ausnahmen) beschränken.
In den in diesem Buch abgedruckten Länderberichten werden neben der dogmatischen Grundlegung und der historischen Entwicklung weitere Aspekte der floating charge behandelt, namentlich die Sicherungsobjekte, Begründung und Registrierung, Verwertung und vor allem der Rang der floating charge im Verhältnis zu anderen Rechten. Das alles rundet sich zu einem instruktiven Bild. Herausgebern und Autoren ist für diese bereichernde Lektüre zu danken!
Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2025 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell