ZRI 2020, 566

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2020 Dokumentation 

Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes

Durch eine Änderung der §§ 1 und 2 des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) soll die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in den Fällen der Überschuldung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 verlängert werden. Der von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachte Gesetzentwurf (BT-Drucks. 19/22178) wurde am 10. 9. 2020 in der 173. Sitzung des Deutschen Bundestags in erster Lesung behandelt und an die Ausschüsse für Recht und Verbraucherschutz, Wirtschaft und Energie sowie Arbeit und Soziales überwiesen (Pl.-Prot.19/173, S. 21796). Mit Beschlussempfehlung und Bericht vom 16. 9. 2020 (BT-Drucks. 19/22539) hat der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz dem Deutschen Bundestag empfohlen, den Regierungsentwurf unverändert, jedoch mit der Maßgabe anzunehmen, dass in Art. 1 Nr. 2b) ein Absatz 4 an-ZRI 2020, 567gefügt wird. Die mitberatenden Ausschüsse für Wirtschaft und Energie sowie für Arbeit und Soziales haben dem zugestimmt. Der Deutsche Bundestag hat dem Gesetzentwurf am 17. 9. 2020 in seiner 176. Sitzung in zweiter und dritter Lesung zugestimmt (Pl.-Prot. 19/176, 22215).

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Die COVID-19-Pandemie ist noch nicht überwunden. Über den weiteren Verlauf des Infektionsgeschehens besteht sowohl auf nationaler als auch auf europäischer und internationaler Ebene Unsicherheit. Ein – auch plötzliches – Ansteigen der Infektionszahlen ist jederzeit möglich. Zwar sind Fortschritte bei der Entwicklung von Impfstoffen zu verzeichnen. Mit der Produktion und flächendeckenden Verteilung eines wirksamen und erprobten Impfstoffes ist in den nächsten Monaten jedoch nicht zu rechnen. Diese Unsicherheiten hemmen nach wie vor das Wirtschaftsgeschehen. Es ist davon auszugehen, dass viele Unternehmen infolge des wirtschaftlichen Einbruchs der letzten Monate unmittelbar insolvenzgefährdet sind. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, die Insolvenzantragspflicht weiterhin auszusetzen. Die Nachfrage nach staatlichen Hilfeleistungen zur Bewältigung der wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten, die durch die COVID-19-Pandemie verursacht werden, ist ungebrochen. Unternehmen sollte auch weiterhin die Möglichkeit gegeben werden, sich unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote und im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen zu sanieren und zu finanzieren.
Zwar ließe sich die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht auch im Verordnungswege bewirken. § 4 des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) erlaubt die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht auf der Grundlage einer Verordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Allerdings ist unklar, ob von dieser Ermächtigung auch teilweise Gebrauch gemacht und die Verlängerung der Aussetzung auf die Antragspflicht wegen Überschuldung beschränkt werden könnte. Eine solche Differenzierung ist wünschenswert, weil die Rechtfertigungsbedürftigkeit für die Aussetzung von Antragspflichten bei Zahlungsunfähigkeit ungleich höher ist als bei der Überschuldung. Bei zahlungsunfähigen Unternehmen ist die Krise bereits so weit vorangeschritten, dass die Unternehmen nicht mehr in der Lage sind, ihre laufenden Kosten und Verbindlichkeiten zu decken. Die Aussichten auf eine Fortführung der Tätigkeit sind hier auch unter normalen Umständen gering. Die Fortführung der Tätigkeit bereits zahlungsunfähiger Unternehmen führt zu unmittelbaren und erheblichen Belastungen des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs. Sie ist darüber hinaus geeignet, das Vertrauen in die Integrität des Marktprozesses zu erschüttern. Anders als in der Ausnahmesituation im März und April, in der die Ereignisse sich überstürzt hatten und die Betroffenen Zeit und Gelegenheit benötigten, sich auf die Entwicklungen einzustellen, erscheint eine Verschonung von zahlungsunfähigen Unternehmen derzeit nicht notwendig und nicht verhältnismäßig. Daher sollte in der jetzigen Situation zwischen Unternehmen unterschieden werden, die zahlungsunfähig sind und solchen, die lediglich überschuldet sind. Das Bedürfnis für eine Verlängerung der Aussetzung der Antragspflicht wegen Überschuldung resultiert auch daraus, dass die Überschuldungsprüfung im Wesentlichen auf einer Fortbestehensprognose beruht, die sich auf einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren bezieht. Unter den gegenwärtigen Bedingungen können entsprechende Prognosen aber kaum verlässlich erstellt werden, da sie mit Unsicherheiten behaftet sind, die aus der Ungewissheit in Bezug auf den weiteren Verlauf der Pandemie und deren Auswirkungen auf das Wirtschaftsgeschehen resultieren. Diese Unsicherheiten sollen nicht zu einer Insolvenzantragstellung zwingen.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Durch den neuen § 1 Absatz 2 COVInsAG wird die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie überschuldet sind, ohne zahlungsunfähig zu sein, bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. Für diese Unternehmen sollen auch weiterhin die haftungs- und anfechtungsrechtlichen Erleichterungen des § 2 COVInsAG gelten.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Änderung der Bestimmungen der Insolvenzordnung (InsO) ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes („gerichtliches Verfahren“ und „bürgerliches Recht“).

VII. Befristung; Evaluierung

Die Regelungen in § 1 COVInsAG sind befristet bis zum 31. Dezember 2020, weil sie der Bekämpfung der spezifischen und vorübergehenden durch die COVID-19-Pandemie verursachten Notlage dienen sollen.

Artikel 1 Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes

Das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 569) wird wie folgt geändert:
1.  § 1 wird wie folgt geändert:
  • a) Der Wortlaut wird Absatz 1.
  • b) Folgender Absatz 2 wird angefügt:
„(2) Vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 ist allein die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung nach Maßgabe des Absatzes 1 ausgesetzt.“
2.  § 2 wird wie folgt geändert:
  • a) In Absatz 1 wird in dem Satzteil vor Nummer 1 nach den Wörtern „Soweit nach § 1“ die Angabe „Absatz 1“ eingefügt.
  • ZRI 2020, 568
  • b) Folgender Absatz 4 wird angefügt:
„(4) Soweit nach § 1 Absatz 2 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist und keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, ist Absatz 1 anwendbar. Absatz 2 findet entsprechende Anwendung. Absatz 3 bleibt unberührt.“
3.  § 4 wird aufgehoben.
Begründung des Regierungsentwurfs zu Nummer 1 Buchstaben a und b:
§ 1 Absatz 2 regelt, dass für den Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 allein die Antragspflicht wegen Überschuldung nach Maßgabe des Absatz 1 ausgesetzt ist. Dies bedeutet, dass zahlungsunfähige Unternehmen und Vereine, die bis einschließlich zum 30. September 2020 nicht antragspflichtig sind, weil ihre Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen, ab dem 1. Oktober 2020 wieder der regulären Antragspflicht unterliegen. Die Unternehmen und Vereine, die COVID-19-bedingt überschuldet, aber zahlungsfähig sind, bekommen für ihre Bemühungen zur Abwendung der Insolvenz hingegen Zeit bis zum 31. Dezember 2020.
Begründung des Regierungsentwurfs zu Nummer 2 Buchstabe a:
Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nummer 1. Diese stellt sicher, dass sich die Bezugnahme auf § 1 auf den bisherigen Inhalt dieser Vorschrift bezieht, die künftig in § 1 Absatz 1 verortet sein wird. Zwar sollen die in § 2 enthaltenen weiteren Folgen der Aussetzung auch für die Aussetzung der Antragspflicht wegen Überschuldung im Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 gelten. Allerdings wird dies durch den neuen Absatz 4 sichergestellt, nach welchem die weiteren Folgen der Aussetzung für überschuldete Unternehmen nur dann gelten, wenn und solange diese nicht zahlungsunfähig sind.
Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu Buchstabe b:
Mit der Änderung soll verhindert werden, dass der in Absatz 4 enthaltene Hinweis auf die Anwendbarkeit der Absätze 1 bis 3 dahingehend missverstanden wird, dass die Rechtsfolgen der Absätze 2 und 3 künftig nicht mehr zum Tragen kommen sollen. Sinn und Zweck der Verweisung des neuen Absatzes 4 auf die Absätze 1 bis 3 ist es, sicherzustellen, dass überschuldete, aber nicht zahlungsunfähige Unternehmen von den haftungs- und anfechtungsrechtlichen Erleichterungen des Absatzes 1 profitieren können. Nicht intendiert ist es hingegen, die Erweiterungen und Modifikationen der Absätze 2 und 3 aufzuheben oder einzuschränken. Umgekehrt sollte der Verweis auf diese Vorschriften sicherstellen, dass die dort enthaltenen Erleichterungen und Modifikationen weiter gelten. Auch weiterhin sollen insbesondere die Erleichterungen des Absatzes 2 für Unternehmen gelten, die nicht insolvenzreif sind oder bei denen keine Antragspflicht besteht. Und auch weiterhin sollen für Kredite, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau, ihren Finanzierungspartnern sowie anderen Institutionen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme gewährt werden, die in Absatz 3 angelegten weitergehende Erleichterungen gelten. Diese Regelungsintention wird durch den Verweis des Absatzes 4 auf die Absätze 1 bis 3 verdunkelt, welcher den Eindruck zu erwecken geeignet ist, die Anwendung der Absätze 1 bis 3 stünde unter dem Vorbehalt, dass es sich jeweils um überschuldete, aber nicht zahlungsunfähige Unternehmen handelt. Zwar sollten entsprechende tatbestandliche Einschränkungen durch die von Absatz 4 angeordnete entsprechende Anwendung der Absätze 2 und 3 auf Rechtsfolgenseite wieder aufgehoben werden. Denn diese Vorschriften verfolgen gerade den Sinn, dem Absatz 1 auch dort zur Anwendung zu verhelfen, wo dessen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Dies wird aber im Normtext und in der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU/CSU und der SPD nicht mit der letzten Klarheit deutlich.
Daher wird der Verweis in Absatz 4 auf den Absatz 1 beschränkt. Um sicherzustellen, dass Absatz 2 entsprechende Anwendung findet, wird dies durch den neuen Satz 2 klargestellt. Da der Absatz 3 unabhängig vom Aussetzungsraum gilt, bedürfte es an sich keiner weiteren Klarstellung. Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, wird durch den neuen Satz 3 klargestellt, dass er unberührt bleibt.
Begründung des Regierungsentwurfs zu Nummer 3:
Durch die Aufhebung der Verordnungsermächtigung wird sichergestellt, dass eine eventuelle weitere Verlängerung über den 31. Dezember 2020 hinaus nur durch den Gesetzgeber erfolgen kann.

Artikel 2 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung des Regierungsentwurfs:
Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit soll das Gesetz am Tag nach der Verkündung in Kraft treten.

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