ZRI 2020, 48

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2020 Literatur

Hammes, Der Gläubigerausschuss in der Eigenverwaltung: Rechtsstellung und besondere Verantwortung.

RWS Verlag, 2019, 482 S., 72 €, ISBN 978-3-8145-1656-1
Es entspricht dem Zug der Zeit, die Eigenverwaltung als probates Mittel der Sanierung von Unternehmen anzupreisen. Die Gefahren für die Gläubigergesamtheit, die mit der Eigenverwaltung verbunden sein können, werden gerne verdrängt. Deswegen ist es besonders verdienstvoll, dass sich Hammes als renommierter Insolvenzverwalter in seiner Dissertationsschrift mit der „Missbrauchsanfälligkeit“ (Rz. 10) der Eigenverwaltung auseinandersetzt und daraus eine besondere Verantwortung des Gläubigerausschusses herleitet.
Zu Recht wird die bestmögliche Befriedigung der Gläubigergesamtheit als oberstes Ziel des Insolvenzverfahrens hervorgehoben, dem sich Sanierungsinteressen des Schuldners unterzuordnen haben (Rz. 30). Folgerichtig wird Bestrebungen, dem Schuldner mit Hilfe der Eigenverwaltung Vorteile zum Nachteil der Gläubigergesamtheit zu verschaffen, eine deutliche Absage erteilt (Rz. 36). Vielmehr ist der Schuldner als masseverwaltender Treuhänder der Gläubiger zu behandeln und nicht als Verwalter eigenen Vermögens (Rz. 53). Aus diesem Grund können die für einen Verwalter geltenden Eignungsanforderungen grundsätzlich auf den Schuldner übertragen werden (Rz. 135 ff.). Vielleicht etwas streng ist die Aussage, dass Pflichtverletzungen des Schuldners eine Wiederholung befürchten lassen und die Erwartung begründen, dass die Fortsetzung des Eigenverwaltungsverfahrens für die Gläubiger Nachteile birgt (Rz. 79). Nicht von der Hand zu weisen ist indessen die mit der Einschaltung von Sanierungsberatern verbundene Gefahr, dass Aussteller der Sanierungsbescheinigung und Sachwalter Teil eines von dem Berater beherrschten Modells der Eigenverwaltung werden (Rz. 169). Zuweilen kann das Bestreben der Sanierungsberater darauf gerichtet sein, auch auf die Zusammensetzung des Gläubigerausschusses Einfluss zu nehmen (Rz. 172 ff.). Diese Vorgehensweise kann Fehlentwicklungen heraufbeschwören, denen sich Hammes akribisch widmet (Rz. 179 ff.).
Da der Gläubigerausschuss zwischen der Gläubigerversammlung und den Trägern der Verwaltung angesiedelt ist, plädiert Hammes in einleuchtender Weise dafür, auf den Gläubigerausschuss ergänzend die Vorschriften des Aktienrechts zum Aufsichtsrat anzuwenden (Rz. 267 ff.). Konsequent wird eine Protokollierungen der Sitzungen gefordert (Rz. 290 ff.). Angesichts der von dem Verfasser betonten Missbrauchsgefahren sowie der im Vergleich zum Regelverfahren anspruchsvolleren und umfangreicheren Aufgabenstellung überrascht es nicht, dass die Einsetzung eines Gläubigerausschusses in Eigenverwaltungsverfahren als unerlässlich eingestuft wird (Rz. 304). Überzeugend wird begründet, dass die Kontrollbefugnis des Gläubigerausschusses sowohl die Tätigkeit des Schuldners, auch soweit dieser durch den Sachwalter kontrolliert wird, als auch die Tätigkeit des Sachwalters umfasst (Rz. 309 ff.). Insbesondere obliegt dem Gläubigerausschuss, im Bewusstsein von möglichen Fehlsteuerungen eigenverwaltungsspezifische Gefahren und Nachteile für die Masse abzuwehren (Rz. 348 ff.).
Den Kern der Arbeit bildet die Ausformung der eigenverwaltungsspezifischen Pflichten des Gläubigerausschusses (Rz. 302 ff.). Im Blick auf die Überwachung des Schuldners durch den Gläubigerausschuss und den Sachwalter entwickelt Hammes einen „Sachwalter-Verdrängungsbereich“, einen „Eigenverwaltungs-Verdrängungsbereich“ sowie einen „Überschneidungsbereich“ als Gegenstände der umfassenden Kontrollpflichten des Gläubigerausschusses (Rz. 326 ff.). Es überrascht nicht, dass Hammes vor dem Hintergrund der spezifischen Risiken der Eigenverwaltung einen umfassenden Katalog von Prüfungspflichten des Gläubigerausschusses erarbeitet (Rz. 339 ff.). Dazu gehören auch etwa Vorkehrungen gegen unerwünschte Einflussnahmen (Rz. 368 ff.) und die Kontrolle kurzfristig eingesetzter, möglicherweise vorrangig dem Schuldner verpflichteter „Sanierungsgeschäftsführer“ (Rz. 399 ff.). In sachlicher Hinsicht wird mit guten Gründen für eine Kontrolle sämtlicher Tätigkeiten der Masseverwaltung plädiert, gleich ob es um die Begründung und Deckung der Masseverbindlichkeiten, die Prüfung und Sicherung des Zahlungsverkehrs, personelle Änderungen in der Geschäftsleitung oder die Bearbeitung von Anfechtungs- und Haftungsfragen geht (Rz. 406 ff.). Gerade in diesem Bereich wirken sich die vielfältigen Erfahrungen des Autors und seine Kenntnis möglicher Interessenkollisionen sehr förderlich aus.
Um einer Instrumentalisierung des vorläufigen Gläubigerausschusses durch Sanierungsberater entgegenzuwirken, wird die Verantwortung des Gerichts für die Auswahl der Mitglieder betont (Rz. 598). Strenge Anforderungen werden an den von den Mitgliedern des Gläubigerausschusses zu prüfenden Eigenverwaltungsantrag gestellt, aus dem sich insbesondere ergeben muss, dass keine Nachteile für die Gläubiger zu besorgen sind (Rz. 604 ff.). Schließlich wendet sich die Arbeit der Haftung der Ausschussmitglieder zu, wofür die Business Judgment Rule, statt am Unternehmenswohl am Wohl der Gläubiger orientiert, nutzbar gemacht wird (Rz. 715 ff., 723 ff.). Schließlich werden Mindestanforderungen an die Sachkunde von Ausschussmitgliedern gestellt, die über ein hohes Maß an Geschäftserfahrung und allgemeine rechtliche Kenntnisse verfügen müssen (Rz. 767 ff.).
Zusammengefasst handelt es sich um eine überaus lesenswerte, kluge Arbeit, die sich in souveräner Manier mit allen Facetten der Eigenverwaltung auseinandersetzt und zu einleuchtenden, gut handhabbaren Lösungen gelangt. Inhaltlich kommt der in allen Bereichen Für und Wider gründlich auslotenden Arbeit besonders zugute, dass Hammes als langjähriger erfolgreicher Insolvenzverwalter weiß, wovon er spricht. Auch wenn man die unverkennbaren Vorbehalte des Autors gegen das Eigenverwaltungsverfahren nicht teilt, kann man das durchgängige Bestreben, das Gläubigerwohl auch bei der Eigenverwaltung in den Mittelpunkt zu stellen, nur unterstützen. Das Werk ist für jeden unverzichtbar, der sich mit Fragen der Eigenverwaltung befasst.
Prof. Dr. Markus Gehrlein, Landau/Pfalz

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