Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises zum Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung zur Ergänzung des Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters (Bundestagsdrucksache 20/2730) um sanierungs- und insolvenzrechtliche Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen

23.09.2022

Halle / Saale, Frankfurt a.M., den 21. September 2022

Die sich überlagernden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine stellen viele Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin vor immense Herausforderungen, die sich unter anderem in erheblich erschwerter Planbarkeit für die Geschäftsleitungen ausdrücken. Insbesondere der rapide Anstieg der Energie- und Gaspreise sorgt für massive Verunsicherungen bei Unternehmern. Der Gravenbrucher Kreis begrüßt deshalb den Vorschlag der Bundesregierung, die veränderte wirtschaftliche Lage auch im Insolvenz- und Sanierungsrecht widerzuspiegeln. Der Gravenbrucher Kreis bedankt sich für die Gelegenheit der Stellungnahme zum Entwurf einer Formulierungshilfe zur Ergänzung des Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters um sanierungs- und insolvenzrechtliche Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen und bezieht dazu wie folgt Stellung:

1. Zu § 4 Abs. 2 Nr. 1 SanInsKG-E: Vorübergehende Verkürzung des Prognosezeitraums für die Überschuldungsprüfung

Der Gravenbrucher Kreis hat bereits in seiner Stellungnahme vom 4. Mai 2022 eine befristete Verkürzung des Prognosezeitraums im Rahmen der Überschuldungsprüfung nach § 15a Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO für krisenbetroffene Unternehmen vorgeschlagen. Insofern wird die im Entwurf vorgeschlagene Anpassung des Prognosezeitraums bis zum 31. Dezember 2023 ausdrücklich begrüßt. Geschäftsleitungen von krisenbetroffenen Kapitalgesellschaften stehen derzeit vor der Herausforderung, Faktoren in ihrer Überschuldungsprüfung zu berücksichtigen, die aufgrund der Folgen des Kriegs in der Ukraine allenfalls mit großen Unsicherheiten für einen zwölfmonatigen Zeitraum abschätzbar wären. Eine Verkürzung des Prognosezeitraums gibt den Geschäftsleitungen dieser Unternehmen die Rechtssicherheit und Planbarkeit, um verantwortungsvoll weiter zu wirtschaften, ohne sich aufgrund von zivil- und strafrechtlichen Haftungstatbeständen zur Stellung eines unter normalen Umständen nicht notwendigen Insolvenzantrags verpflichtet zu fühlen.

Es zeigt sich allerdings auch, dass nicht alle Unternehmen und Branchen gleichermaßen von den aktuellen Krisen betroffen sind. Der Gravenbrucher Kreis befindet es daher für angemessen, die Anpassungen und Privilegierungen des SanInsKG auf diejenigen Unternehmen zu beschränken, die – wie beispielsweise energieintensive produzierende Betriebe – nachweislich unter den Krisenauswirkungen leiden.

Ausdrücklich begrüßt der Gravenbrucher Kreis indes, dass die Überschuldung lediglich befristet hinsichtlich ihrer zeitlichen Komponente entschärft wird. Denn abseits von unkalkulierbaren Krisen leistet der Überschuldungstatbestand einen wertvollen Beitrag für die Krisenfrüherkennung, hält er doch die Geschäftsleitungen an, mittel- und langfristig zu planen und gegebenenfalls rechtzeitig die Reißleine zu ziehen, um Sanierungschancen zu erhalten. Insofern versteht der Gravenbrucher Kreis den vorgesehenen Zeitraum für die Überschuldungsprognose von vier Monaten als denkbar kleinsten Zeitraum, auf den die Überschuldungsprüfung beschränkt werden kann, ohne die ordnungspolitische Funktion des Insolvenzrechts und den effektiven Gläubigerschutz zu gefährden.

2. § 4 Abs. 2 Nr. 2 SanInsKG-E: Vorübergehende Verkürzung der Planungszeiträume im Rahmen der Schutzschirm- und Eigenverwaltungsplanung

Die Verkürzung der Zeiträume für Schutzschirm- und Eigenverwaltungsplanung analog zur Verkürzung der Überschuldungsprüfung hat der Gravenbrucher Kreis ebenfalls in seiner Stellungnahme vom 4. Mai 2022 befürwortet. Der erleichterte und rechtssichere Zugang zu den Sanierungsinstrumenten der InsO ist wichtig, um Sanierungschancen krisenbetroffener Unternehmen optimal zu nutzen. Der Gravenbrucher Kreis hält jedoch für vorläufige Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren eine Verkürzung des Planungszeitraums auf drei Monate für angemessen. Einerseits eröffnet eine im Vergleich zu § 19 InsO kürzere Frist den überschuldeten Unternehmen, deren Fortführung erst in vier Monaten fraglich ist, einen erleichterten Zugang zum vorläufigen Eigenverwaltungs- bzw. Schutzschirmverfahren. Andererseits wird das Unternehmen in dieser Zeit durch das Insolvenzgeld gestützt. Schließlich sind drei Monate auch regelmäßig der Zeitraum bis zur Eröffnung des Verfahrens, ab dem die Lage des Unternehmens ohnehin neu und kritisch überprüft werden muss, sodass es sich anbietet, die Eigenverwaltungsplanung bis zu diesem Zeitpunkt zu beschränken. Sofern das Verfahren in Eigenverwaltung fortgeführt wird, sollte mit der Verfahrenseröffnung erneut eine Planung vorgelegt werden, die aufzeigt, dass das Unternehmen weitere drei Monate durchfinanziert ist.

Indes gewährleistet der gerichtlich bestellte vorläufige Sachwalter durch seine Schutz- und Kontrollpflichten auch für diesen kurzen Zeitraum, dass die Gläubigerinteressen in diesem Zeitraum nicht nachteilig beeinflusst werden.

Auf diesem Wege erhalten überschuldete Unternehmen einen einfachen Zugang zu wichtigen Sanierungsinstrumenten während der Gläubigerschutz zu jedem Zeitpunkt hinreichend gewährleistet ist.

3. Zu § 4a SanInsKG-E: Vorübergehende Verlängerung der Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags aufgrund von Überschuldung

Der Entwurf der Formulierungshilfe sieht eine temporäre Verlängerung der Frist zur Stellung des Insolvenzantrags aufgrund von Überschuldung von sechs auf acht Wochen vor. Aufgrund der mitunter zögerlicher agierenden Gläubiger und potentiellen Kreditgeber, können Sanierungskonzepten derzeit längere Verhandlungen vorausgehen. Dem kann durch die Verlängerung der Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags Rechnung getragen werden.

Vollumfänglich unterstützt der Gravenbrucher Kreis, dass der Entwurf keine erneute Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorsieht. Denn die Insolvenzantragspflicht erfüllt – gerade in Krisenzeiten – eine wichtige ordnungspolitische Funktion und gewährleistet effektiven Gläubigerschutz.

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