ZRI 2021, 476

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2021 Literatur

Stürner, Rolf/Eidenmüller, Horst/Schoppmeyer, Heinrich (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung,

4. Aufl., Bd. 4, 2021, München (C.H. Beck), 229,00 €.
Im Anschluss an die Rezension der ersten drei Bände des Münchener Kommentars zur Insolvenzordnung in dieser Zeitschrift (ZRI 2020, 392) kann jetzt der sehnlich erwartete vierte Band dieses Werkes angezeigt werden. Er ist der Europäischen Insolvenzverordnung in der Fassung vom 20. Mai 2015 sowie den dazu gehörenden Ausführungsbestimmungen in Art. 102a, 102c EGInsO gewidmet und enthält darüber hinaus Länderberichte zu den Insolvenzrechten von 53 ausgewählten Staaten.
Die Kommentierung der EuInsVO 2015 liegt in den bewährten Händen von Jörg Fried, Stefan Reinhart und Christoph Thole. In der letzten Auflage litt sie darunter, dass kurz vor Erscheinen des vierten Bandes die neue EuInsVO verabschiedet wurde und deshalb zur Kommentierung der EuInsVO 2000 eine „Divergenzkommentierung“ der EuInsVO 2015 hinzutreten musste. Demgegenüber präsentiert sich die Darstellung jetzt aus einem Guss und auf allerhöchstem Niveau. Auch die Aktualität ist in den meisten Fällen gewahrt, wie einige wenige Lesefrüchte belegen mögen.
So setzt sich beispielsweise Reinhart bei Art. 1 Rz. 11 ff. mit der Frage auseinander, unter welchen Voraussetzungen Restrukturierungsverfahren in den sachlichen Anwendungsbereich der EuInsVO fallen – ein Problem, das jüngst aus etwas anderem Blickwinkel auch den englischen High Court beschäftigt hat (In the matter of Gategroup Guarantee Ltd. [2021] EWHC 304 (Ch)) und das bei der Konzeption des StaRUG, vor allem bezüglich der Öffentlichkeit des Verfahrens (§§ 84 ff. StaRUG), eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat (Begr. RegE StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 178).
Thole vertritt bei Art. 3 Rz. 70 ff. in einer sehr differenzierten Analyse die Auffassung, für die internationale Zuständigkeit gelte der Grundsatz der perpetuatio fori in dem Sinne, dass eine COMI-Verlegung nach Antragstellung unbeachtlich sei. Allerdings hat das der EuGH bisher nur für den Fall entschieden, dass das Gericht, bei dem der Insolvenzantrag gestellt worden ist, das Verfahren nach der COMI-Verlegung eröffnet. Offen ist, ob auch die Unzuständigkeit der Gerichte in dem Staat, in den der COMI verlegt wurde, gegeben ist oder ob diese an einer Eröffnungsentscheidung nicht gehindert sind, solange sie nur vor dem zuerst angerufenen Gericht entscheiden (in diesem Sinne wohl Thole, a. a. O.). Der BGH hat diese Frage jüngst dem EuGH vorgelegt (Beschl. v. 17. 12. 2020 – IX ZB 72/19, ZRI 2021, 77) und man darf auf die Antwort aus Luxemburg gespannt sein.
Im Zusammenhang mit Art. 16 EuInsVO stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage, wie bei der Anfechtung von Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen nach § 135 InsO das für diese Rechtshandlung maßgebliche Recht zu bestimmen ist. Hier geht es nicht so sehr darum, ob auf die Erfüllungshandlung oder den zugrunde liegenden Darlehensvertrag abzustellen ist (vgl. dazu den bei Art. 16 Rz. 9 nicht berücksichtigten Vorlagebeschluss des BGH v. 23. 1. 2020 – IX ZR 94/19, ZRI 2020, 119), sondern vielmehr darum, ob Gesellschafterdarlehen insolvenzrechtlich, gesellschaftsrechtlich oder schuldvertraglich zu qualifizieren sind (dazu zuletzt u. a. OLG Dresden, Urt. v. 14. 11. 2018 – 13 U 730/16, BeckRS 2018, 30341; Pleister/Koa, ZRI 2020, 273). Leider spricht Reinhart diese aus deutscher Sicht doch sehr wichtige Problematik in der Kommentierung des Art. 16 nicht an. Zustimmung verdient hingegen seine Auffassung, dass bei Drittstaatenbezug ein Rückgriff auf § 339 InsO daran scheitern muss, dass Art. 7 EuInsVO eine Abweichung von der lex fori concursus nur zulässt, wenn sie in der EuInsVO selbst vorgesehen ist (Art. 16 Rz. 24).
Etwa drei Viertel des Bandes sind den von Ursula Schlegel herausgegebenen Länderberichten zu nationalen Insolvenzrechten gewidmet. Sie umfassen sämtliche Mitgliedstaaten der EU sowie 26 weitere Jurisdiktionen, insbesondere Australien, China, Japan, Kanada, Russland, die USA und das Vereinigte Königreich (England und Wales). Angesichts des Redaktionsschlusses im August 2020 ist es beachtlich, dass die Berichterstatter, wo möglich, auch die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie und Besonderheiten der COVID-19-Gesetzgebung berücksichtigt haben. Die einzelnen Berichte folgen einem einheitlichen Gliederungsschema und überzeugen nicht zuletzt durch hilfreiche Schaubilder und Glossare zur nationalen insolvenzrechtlichen Terminologie. Auch sonst wird auf Aktualität besonderer Wert gelegt. So hat etwa Schlegel in ihrem Bericht zum Insolvenzrecht von England und Wales die Modernisierung durch den Corporate Insolvency and Governance Act 2020 bereits berücksichtigt (Rz. 29 ff., 84 ff.), durch den vor allem ein Moratorium (Part A1 Insolvency Act 1986) und ein Restrukturierungsplanverfahren (Part A26 Companies Act 2016) eingeführt wurden. Vergleichbar hat Kortmann für die Niederlande (Rz. 17) das mittlerweile in Kraft getretene vorinsolvenzliche Restrukturierungsplanverfahren nach dem Wet Homologatie Onderhands Accord jedenfalls in der Entwurfsfassung berücksichtigen können.
Insgesamt handelt es sich um einen außerordentlich informativen und hilfreichen Band, der durch ein enorm weit gespanntes Spektrum besticht und in Qualität und Zuverlässigkeit den ersten drei Bänden in nichts nachsteht. Wer sich mit europäischem oder ausländischem Insolvenzrecht zu befassen hat, ist gut beraten, auf den vierten Band des Münchener Kommentars zur Insolvenzordnung zurückzugreifen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Verlag einen – neuen – fünften Band plant, der dem StaRUG gewidmet sein wird. Man darf gespannt sein!
Prof. Dr. iur. Reinhard Bork, Hamburg

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